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Interview mit Zehra Tahay

Sara, Nahid und Marie interviewten die heute 63-jährige Zehra Tahay am 23. Juni 2008. Übersetzt hat Eda Horuz.

Nahid (l.) und Sara im Gespräch mit Zehra Tahay (Foto: Ingrid Fisch) Frau Tahay, wann und warum sind Sie nach Deutschland gekommen?
Mit 27 Jahren bin ich aus Izmir als Arbeiterin nach Deutschland gekommen. Ich habe Näherin gelernt und zunächst bei der Firma Möller Steppdecken gefertigt. In Münster habe ich dann später als Näherin bei Hengst Filterwerke am Nienkamp angefangen und bin dort 21 Jahre geblieben.

Gab es Freunde oder Familie, die vor Ihnen bereits nach Deutschland gegangen sind?
Ich bin alleine gekommen und habe niemanden nachgeholt. Ich wollte gar nicht lange hier bleiben, sondern bin als Gastarbeiterin gekommen. Dann habe ich hier geheiratet. Zunächst lebte ich sechs Jahre in Laer. Erst durch meine Heirat bin ich nach Münster umgezogen. Mein Mann ist übrigens Diplom-Schneider und hat in Paris gelernt. Hier hat er bei Hettlage als Kontrolleur für die Konfektionsware gearbeitet.

Wo fühlen Sie sich wohler, in Münster oder in der Türkei?
Das ist geteilt, in beiden Ländern. Es ist besser, dass ich gekommen bin, denn in der Türkei gab es keine Arbeitsmöglichkeiten für mich. Zu Anfang wollte ich jedoch unbedingt zurück. Jedes Jahr aufs Neue. Doch dann hat es sich anders ergeben. Dennoch halte ich den Geburtsort für wichtig. So kann ich auch meinen Sohn verstehen, dass er seine Zukunft in Münster sieht. Er ist hier geboren und aufgewachsen und hat deutsche Freunde.

Wie fiel ihre Wahl auf Deutschland?
Damals war die Nachfrage an Arbeitskräften sehr groß. Es gab Unternehmen, die richtig Werbung gemacht haben, damit man nach Deutschland kommt. Den Arbeitsvertrag für zwei Jahre habe ich schon in der Türkei abgeschlossen.

Was vermissen Sie hier?
Natürlich meine Familie. Und die Feste. Mein Sohn lebt hier, aber eine Tochter ist in der Türkei.

Wie war ihr erster Eindruck von Deutschland?
Ich war zunächst verwirrt. Auch durch die Frage, ob ich bleiben soll oder nicht. Ich hatte nicht einmal Zeit zu überlegen, ob ich die Arbeit hier wirklich aufnehmen möchte. Ich habe einfach direkt angefangen.

Wie haben Sie den Start mit einer anderen Sprache gemeistert?
Sprachkenntnisse lagen zunächst nicht vor. Aber die Landsleute, mit denen ich hier gearbeitet habe und die schon länger hier waren, haben mir bei den Papieren geholfen. Sprachkurse waren nicht vorgesehen. Wir waren außerdem die ganze Zeit mit der Arbeit beschäftigt. Für einen Sprachkurs hatte ich keine Zeit. Auch zum Einkaufen brauchte ich die Sprache nicht. Es sind ja alles Supermärkte. Ich habe die Produkte gesehen und in den Einkaufswagen gepackt.

Haben Sie Kontakte zu Deutschen?
Ja! Vorwiegend mit den Familien von Arbeitskollegen meines Mannes. Auf der Arbeit hatten meine Kollegen übrigens Verständnis für meine Sprachschwierigkeiten. Alltägliches verstehe ich, traue mich aber manchmal nicht zu sprechen. Das Frau Horuz als Übersetzerin bei diesem Gespräch dabei ist, gibt mir Sicherheit.

Was denken Sie über das Tragen eines Kopftuchs?
Das Kopftuchtragen ist in Deutschland viel verbreiteter als in der Türkei. Als Beamtin darf man dort zum Beispiel keines tragen. Genauso in Schulen. Was hier neuerdings verboten wird, gilt in der Türkei seit Jahren. Die Türkei ist zwar großteils islamisch, aber dies ist nicht die einzige Religion. Derzeit ist dort in der Diskussion, ob Studentinnen an der Universität demnächst ein Kopftuch tragen dürfen oder nicht. Ich vermute, dass hier der politische Einfluss des Irans auf die Türkei zur Geltung kommt.

Hätten Sie sich gewünscht, dass Ihre Kinder in der Türkei aufwachsen?
1979 war eigentlich schon alles für die Rückkehr in die Türkei beschlossen. Als ich merkte, dass ich mit meinem Sohn schwanger war, haben wir uns anders entschieden. Die Möglichkeiten, das Kind aufzuziehen, waren hier besser. Jetzt warte ich darauf, dass er seine Ausbildung beendet. Dann werde ich in die Türkei zurückkehren. Er möchte jedoch in Münster bleiben. Meine Tochter ist aus einer ersten Ehe und in der Türkei aufgewachsen und mittlerweile verheiratet. Sie ist Geophysikerin und da sie in diesem Bereich nicht arbeiten kann, ist sie nun als Lehrerin tätig. Ich hatte meine Tochter zum Studium nach Münster geholt. Doch es gefiel ihr hier gar nicht.

Besuchen Sie regelmäßig die Moschee?
Nicht immer. Zum Teil sind die Busverbindungen ungünstig. Etwa zu Ramadan komme ich nachts nicht dorthin. Oft nutze ich deshalb die religiösen Angebote im Fernsehen. Bis vor vier Jahren gab es eine weibliche Hodscha, eine Religionsgelehrte, in Münster, die auch Kurse angeboten hat. Wir trafen uns mal hier, mal da. Eine Woche in der Moschee, dann in Wohnungen. Wir waren auch manchmal in Kirchen. Für mich sind dies genau wie Moscheen Häuser Gottes.

Wie sind Sie auf das hiesige Angebot aufmerksam geworden?
Der Kontakt zum Arbeitskreis International bzw. zum Türkischen Arbeiter- und Studentenverein ist über Frau Yavuz entstanden. Diese kenne ich noch aus meiner Zeit in Laer.

Frau Tahay, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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