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Aus der Stadtgeschichte

Straßenschild Magdalenenstrasse (Foto: Roswitha Link) Vor 200 Jahren war jemand ein Fremder, wenn er aus dem Nachbarort nach Münster kam. Der Name, der Herkunftsort und das Hotel, in dem jemand wohnte, wurden in der Zeitung bekannt gegeben. So wussten die Zeitungsleser in Münster, dass der Gutsbesitzer von Tönnemann aus Warendorf 1822 im Hotel Gerbaulet wohnte und Herr Bäcker, ein Gastwirt aus Borken, bei Oberrecht logierte.

Nach Münster sind schon immer viele „Fremde“ gekommen. Sie waren hier meistens willkommen, denn sie bereicherten und ergänzten das Leben in der Stadt. Sie waren z.B. auf der Durchreise auf einem Pilgerweg und konnten spannende Geschichten erzählen, verkauften beliebte und begehrte Waren, erfreuten die Münsteraner mit ihren künstlerischen Darbietungen, suchten und fanden hier Arbeit als Spezialhandwerker oder halfen als ungelernte Arbeiter bei großen Baustellen oder der Ernte mit.

Übernachtet haben Pilger und Reisende im Mittelalter häufig im Magdalenenhospital. Noch heute erinnert eine Straße in Münster an die Stelle, an der das Hospital stand.

Handelswagen (Ausschnitt aus dem Hogenbergplan von 1575) Handelsbeziehungen
Um schmackhafte Gewürze, edle Stoffe und andere Waren, die es im Münsterland nicht gab, zu besorgen, fuhren Händler aus Münster schon im Mittelalter nach England, Skandinavien und Russland. Kaufleute aus diesen Ländern kamen aber auch nach Münster. Man freute sich über seltene und kostbare Gegenstände, die die Fremden in die Stadt brachten. Aus der späteren Zeit wissen wir z.B. von böhmischen Glashändlern, die wertvolles Glas aus ihren heimischen Glashütten in Münster verkauft haben.

Wollten „Fremde“ in Münster etwas verkaufen, benötigten sie eine spezielle Genehmigung, denn eigentlich war das Verkaufen den münsterischen Kaufleuten vorbehalten. Eine Ausnahme waren die Jahrmärkte, die einige Male im Jahr stattfanden. Auch der Send war ein solcher Jahrmarkt. Dann galt Marktfreiheit und die Händler von Nah und Fern reisten nach Münster, um ihre Waren anzubieten.

Diplomaten bei den Friedensverhandlungen
Am Ende des Dreißigjährigen Krieges, ab etwa 1643, waren viele Menschen aus fremden Ländern in Münster. Die vornehmen Gesandten aus Frankreich, Spanien, Italien und vielen anderen Ländern verhandelten miteinander, um endlich einen Frieden für das Land zu finden. Sie brachten meistens ihr Gesinde mit: Pferdeknechte, Dienstmädchen, Köchinnen.

Arbeit bei Großprojekten
Arbeiter aus mehreren Ländern bei der Kanalisation der Aa, um 1900 (aus: 100 Jahre Caspar Hessel, Münster 1978) Zwischen 1600 und 1800 gab es ohnehin große Wanderbewegungen in Europa, die viele „Fremde“ auch nach Münster brachten. Wandergesellen aus Tirol, Böhmen oder Italien erreichten Münster, wo vor allem Bauhandwerker gern gesehene fremde Gäste waren. In Münster gab es nämlich eindeutig zu wenig Bauhandwerker. Für Großprojekte wie den Erbdrostenhof oder das Residenzschloss benötigte man mehr Maurer, Zimmerleute, Gipser oder Stukkateure, als in der Stadt zur Verfügung standen. Gerne schmückten sich münsterische Frauen mit modischen Accessoires aus Skandinavien, z.B. Hüten, die geschickte Hutmacher aus Dänemark oder Schweden in Münster anfertigten.

Im 19. Jahrhundert waren es vor allem Polen, Holländer und Italiener, die nach Münster kamen und beim Bau des Kanals mithalfen. Allerdings war diese Arbeit kein Zuckerschlecken und wirklich reich konnte man dabei auch nicht werden. Als der Kanal fertig war, zogen die meisten Wanderarbeiter weiter, nur wenige blieben und wurden sesshaft.

Im Krankheitsfall
Wurden auswärtige Besucher krank, erhielten sie genauso wie die Münsteraner Pflege und Hilfe im Clemenshospital. So musste der 16-jährige Lehrling Lorenzo Bonzano aus der Gegend bei Mailand, der das Kaminfegen lernte, 1788 einige Tage dort verbringen.

Die Folgen der Französischen Revolution
Ein Refugium bot die Stadt seit Beginn der französischen Revolution 1789 Angehörigen des Adels und Klerus, die in Frankreich entmachtet und vertrieben worden waren. Mehr als 400 französische Geistliche fanden in der Stadt Aufnahme und eine bescheidene Unterkunft.

Nach den Weltkriegen
Kriegsgefangene, Erster Weltkrieg (Quelle: Stadtarchiv Münster) Die Weltkriege brachten wieder viele Fremde, aber auch viel Unglück und Leid in die Stadt. Als Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter ging es den allermeisten sehr schlecht. Wer überlebte, verließ die Stadt so bald wie möglich und so schnell es ging.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es vor allem Angehörige der englischen Besatzungsmacht, die in Münster als „Fremde“ lebten. Aber auch Flüchtlinge und Vertriebene aus Ostpreußen, Schlesien und Pommern, die vor den Russen geflohen oder zwangsausgesiedelt worden waren, konnten in Münster Fuß fassen und zum Wiederaufbau der Stadt wesentlich beitragen.

Seit 1950 sorgten die bilateralen Verträge zwischen Deutschland und den so genannten Gastarbeiterländern für Zuwanderung. In Münster kommen Menschen aus Italien, Spanien, Portugal, der Türkei und den anderen Ländern aber erst in den 70er Jahren in größerer Zahl an. Sie wurden und werden wegen ihrer Mithilfe bei der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt sehr geschätzt. Außerdem trugen sie zur kulturellen Vielfalt der Stadt bei. Dieses gilt auch für die Studierenden aus dem Ausland, die seit Wiedereröffnung der Universität einen Studienplatz und vorübergehend eine neue Heimat fanden.

Heute leben in Münster ca. 51.000 Menschen mit einer Migrationsgeschichte, Einwohner unserer Stadt, von denen viele zunächst fremd waren und sich auch so fühlten. Viele von ihnen sind inzwischen mit der Stadt und ihrer neuen Heimat vertraut.

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