Weseler Straße 69

Bearbeitet von Robert, Kevin & Marvin

Aus der Geschichte des Hauses

Weseler Straße 69, 2010 (Foto: Häuserforscher, 2010)

Weseler Straße 69, 2010 (Foto: Häuserforscher, 2010)

Die Geschichte des Hauses beginnt erst in den 50er Jahren. Vorher befanden sich auf dem Grundstück eine Sandgrube und mehrere kleine Häuschen. Nach dem Krieg begann Herr Ingendoh mit dem Bau der Tankstelle als Altersvorsorge. Er hatte nach der Inflation kein Vertrauen mehr in die Währung. Nachdem die Tankstelle fertig war, begann er außerdem mit dem Bau von 100 Garagen. Als 25 Garagen fertig waren, starb er jedoch. Sein Testamentsvollstrecker baute noch weitere Garagen.

1964 verfügte die Stadt Münster, dass von nun an jeder Hausbesitzer auch eine Garage vorweisen müsse. Dadurch wurden die Garagen von Herrn Ingendoh überflüssig. Die Erbpacht, die Herr Ingendoh bezahlen musste, stieg hingegen immer weiter an und die Einnahmen aus den Garagenhöfen wurden immer weniger. Hinzu kam, dass durch den Umbau der Weseler Straße die Zufahrt zur Tankstelle erschwert wurde und auch der Verkauf des Benzins rückläufig war. Also verkaufte Herr Ingendoh die Tankstelle an die Stadt Münster, die zu dem Zeitpunkt dringend Grundstücke brauchte. Die Stadt Münster konnte das Grundstück jedoch nicht direkt weiter verkaufen. Sie betrieb die Tankstelle noch einige Jahre. In den 80er Jahren fand sich schließlich ein Käufer und die Tankstelle wurde abgerissen. Später entstand dort ein großer Gebäudekomplex.

Die Informationen haben wir im Stadtarchiv gefunden. Die Akten, die wir benutzt haben, hatten folgende Namen:
— Liegenschaftsamt 1627 II, Erbbau Ingendoh
— Liegenschaftsamt 1627 I, Tankstelle mit Großgaragenanlage Weselerstr./Ecke Geiststraße (Ingendoh)

Außerdem haben wir am 10. Juni 2010 ein Gespräch mit Herrn Ingendoh geführt.

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Material

Die Texte sind Auszüge aus dem Interview, das die Häuserforscher mit dem ehemaligen Besitzer des Grundstücks, Herrn Ingendoh, am 17. Juni 2010 führten.

(Die Häuserforscher zeigen Herrn Ingendoh die Kopie eines Bauantrages.)
Ah ja: Bauantrag auf eine Großtankstelle. Sie nannten das „Großtankstelle“, weil es vier Zapfsäulen gab. Damals war das schon groß. Eine Tankstelle zu der Zeit hatte nur eine, maximal zwei Säulen. Die hatte meistens nur eine kleine Pumpe und gar kein Dach oben drüber. Unsere war übrigens die größte Tankstelle in Münster.

Wann ist die Tankstelle denn genau gebaut worden?
Mein Vater hat die gebaut, Stück für Stück, nach der Währungsreform, 1949. Er hatte einen Versandhandel mit Werkzeug, das lief nach dem Krieg ganz gut. Da hat er nicht schlecht Geld mit verdient, und immer, wenn er etwas Geld übrig hatte, hat er gesagt: „Da baue ich was.“ Er hat immer gesagt: „Das ist meine Rente“, da er aufgrund der Inflation kein Vertrauen mehr in Geldanlagen hatte. Er hatte sich für eine Tankstelle entschieden, denn das war auch ein gutes Geschäft. Die Zahl der Autos nahm nämlich zu. Für die Tankstelle hat er von der Stadt Münster dieses Grundstück gepachtet, in einem Erbpachtvertrag. Er hat das nie gekauft, denn die Stadt Münster verkaufte keine Grundstücke. Für 99 Jahre lang hat er das gepachtet und musste eine jährliche Erbpacht dafür bezahlen. Diese Erbpacht war gekoppelt an die Lebenshaltungskosten. Natürlich konnte er den Tankstellenbau nicht alleine bezahlen, dafür hatte er einen Kredit von der Kreissparkasse.

Haben Sie noch Fotos?
Ja, hier, schaut mal. So sah das früher aus. Das war damals ganz modern.
Das Grundstück war ganz früher eine Sandgrube, aber es befanden sich auch kleine Lädchen darauf. Frau Birnbaum gehörte ein Laden – ich weiß gar nicht mehr, was die dort genau machte. Mein Vater hat dann die Aral-Tankstelle gebaut.

Wir haben hier auch noch einen Plan aus dem Stadtarchiv.
Ach, das ist ja spitze! Ja, genau, hier standen die Garagen. Und hier vorne, da waren Läden drin. Hier war Hill. Kennt ihr noch Hill? Das gibt es heute nicht mehr, das war damals der größte Lebensmittelhändler in ganz Nordrhein-Westfalen. Auf jeden Fall war hier Hill, und dort gab es rechts und links zwei Schaufenster eines Gebrauchtwagenhandels. Als mein Vater dann 20 Garagen fertig hatte, ist er leider gestorben. Das war 1957. Ich war 17 Jahre alt, ein bisschen älter als ihr. Das war für unsere Familie sehr hart. Ich war der älteste, meine jüngste Schwester war gerade 7 Jahre alt.

Erläuterung zu den Jahreszahlen:

  • Bis 1953: Sandgrube
  • 1953 - 1959: Bau und erster Betrieb der Tankstelle
  • 1965: Weiterentwicklung der Tankstelle und Vergrößerung
  • 1967 - 1969: Weiterführung des Garagenbaus im Hinterhof
  • 1969: Höhepunkt des Tankstellenbetriebs
  • 1970: Verkauf der Tankstelle an die Stadt Münster
  • 1975 - 1980: Wirtschaftlicher Niedergang der Tankstelle
  • 1980 - 2000: Abriss der Tankstelle; Grundstück unbenutzt
  • Ab 2000: Neubau auf dem Grundstück
  • 2010: Stabile Lage des Grundstücks

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