Von barocker Leidenschaft
in Musik, Dichtung und Tanz

Prof. Barbara Schlick

Im “Affekt” wird in unserem heutigen Sprachgebrauch eigentlich nur noch geprügelt, ge- oder gar erschlagen. Für den Barockmenschen dagegen war der “affetto” ein viel weiteres Feld: Er umgriff das ganze Spektrum der Leidenschaft(en), süße Liebesqual und -wonne, zerfressende Eifersucht, Lust, Rache, Haß. Die Künstler sahen es als ihre vornehmste Aufgabe an, für jeden Affekt eine glaubwürdige, fesselnde Ausdrucksform zu finden. Man denke nur an die Statuen Berninis: die äußerste Anspannung des David mit den zusammengekniffenen Lippen, das von Panik fast verzerrte Gesicht der Daphne oder die nahezu erotische Verzückung der heiligen Therese: “bewegtere” Bilder als mancher Action-Film. Auch der “religiöse” Affekt ist in dieser Zeit von intensiver, für uns zuweilen schon befremdlicher Sinnlichkeit. Zwar gibt es im Barock strenge rhetorische Regeln für die Angemessenheit und Ziemlichkeit des Ausdrucks: eine “Affektenlehre”, ein ausgeklügeltes Sortiment an Tönen, Gesten und Vokabeln, deren Wirkung auf den Hörer und Betrachter genau kalkuliert ist. Aber Musiker, Literaten und bildende Künstler weichen dieses Regelwerk immer wieder von innen auf, erweitern und durchbrechen es.

Das Barockfest Münster gestaltet sich in diesem Jahr als ein gebündeltes “affettuoso”: Von inbrünstigem “Liebessturm und Seelendrang” spannen wir den Bogen über die Obsession von Samson und Dalila und das “unzüchtige” Cornetto bis hin zu Bachs Meisterwerk religiöser Verinnerlichung. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Beschäftigung mit barocker Bewegungs-Rhetorik: Das Ensemble alla polacca präsentiert barocke Gestik; das Teatro Arcimboldo gewährt einen Einblick in die Tanztheaterkultur am Hof des Sonnenkönigs.

“Con affetto” lade ich Sie ein, mit uns die Höhen und Tiefen barocker Leidenschaft zu durchwandern und für eine Woche der “Leidenschaft Barock” zu frönen.

Ihre Barbara Schlick

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