Münster (SMS) Umjubelt wie ein Popstar hält Willy Brandt 1972 Einzug in die Halle Münsterland. Trotz eineinhalbstündiger Verspätung fliegen dem charismatischen Politiker bei diesem Wahlkampfauftritt die Herzen zu. Ungleich härter trifft es zwölf Jahre später Helmut Kohl: Bei einer Europawahl-Kundgebung auf dem Domplatz fliegen Tomaten- und Eiergeschosse Richtung Rednerpult. „Der Kanzler kommt!“ heißt die neue Ausstellung im Stadtmuseum Münster. Mit Fotos und Fakten lädt sie zu einer informativen Zeitreise durch die Münster-Visiten der deutschen Regierungschefs ein. Zugleich macht sie den Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse jener Jahre deutlich.
Es war nicht weit vom ehemaligen Regierungssitz am Rhein bis nach Münster. „Vielleicht ist dies ein Grund, dass einige Kanzler häufig in dieser Stadt weilten“, vermutet Ausstellungskurator Dr. Axel Schollmeier, der aus einer Fülle von Negativen 80 Dokumente für die Schau ausgewählt hat und sich auf die sechs Kanzler der „Bonner Republik“ von 1949 bis zur Wiedervereinigung Deutschlands 1990 konzentriert.
Die Bildchronisten und Pressefotografen dokumentierten immer wieder Kanzler-Empfänge im Rathaus und im Friedenssaal. So ehrt die Stadt mit einem Eintrag in das Goldene Buch seit Kaisers Zeiten ihre hohen Gäste. Zwei originale Exemplare dieser gewichtigen Kostbarkeiten sind in der Ausstellung zu sehen. Auch das silberne Tintenfass, in das einst Adenauer schon die Feder tunkte. Allein Helmut Schmidt fehlt in dieser Reihe. Während seiner Kanzlerschaft (1974-1982) fand keine offizielle Begrüßung im Rathaus statt. Erst 2012 sollte er - dann als Friedenspreisträger - seine Unterschrift nachholen. Fotos spiegeln seine zahlreichen Abstecher nach Münster: Der Kanzler ist zu Gast bei der Polizeiführungsakademie oder im Wahlkampf präsent.
Kompakte Biografien sind den Aufnahmen zur Seite gestellt und geben hilfreiches Wissen an die Hand. „Unsere Fotopräsentationen führen auch junge Menschen an Geschichte heran“, sagt Museumdirektorin Dr. Barbara Rommé. „Jeder dieser Kanzler hat ein Kapitel bundesdeutscher Geschichte geschrieben.“
Mit Ehrfurcht und Hochachtung begegnen die Menschen Konrad Adenauer (Regierungszeit 1949-1963). Schon 1954 besucht der erste Kanzler der neu gegründeten Bundesrepublik Münster. Auch aus privaten Anlässen: Sein Sohn studiert in dieser Stadt. Mit Tumult und Türblockaden reagieren hingegen Tausende auf Kurt Georg Kiesinger (1966-1969), dem Ehrengast des Kramermahls. Der Politiker ist aufgrund seiner Vergangenheit im Nationalsozialismus für viele Jüngere das Gesicht einer unbewältigten deutschen Geschichte.
Zehntausende versammeln sich 1966, um Kanzler Ludwig Erhard (1963-1966) zu lauschen. Der populäre Wirtschaftsexperte spricht am Vorabend zum Tag der deutschen Einheit. Immer wieder auch ungewöhnliche Perspektiven: Willy Brandt (1969-1974) eröffnet im heißen Juni 1970 auf dem Schlossplatz den Deutschen Feuerwehrtag, wo sich Massen um einen guten Blick drängen. Die Feuerwehr hebt Brandt via Hubsteiger auf luftige neun Meter in die Höhe. Und schließlich Helmut Kohl (1982-1998). Kein Regierungschef ist so oft in der Stadt wie der Kanzler der Wiedervereinigung. Soeben in sein Amt gewählt, bleibt er einer alten Zusage treu: Als „Ehrengeist“ der Karnevalsgesellschaft „Böse Geister“ folgt er in hohen Würden einer närrischen Einladung nach Münster. (bis 8. September, Stadtmuseum Münster, Salzstraße 28; Eintritt frei).
Fotos (6): Konrad Adenauer grüßt 1954 vor dem Weinhaus Niemer unweit der Lambertikirche. Foto: Stadt Münster - Sammlung Stadtmuseum, Hänscheid.
Kurt Georg Kiesinger spricht 1969 auf dem Bauernkongress in Münster. Foto: Stadt Münster - Sammlung Stadtmuseum, Krause.
Empfang zu Ehren des Kanzlers: Ludwig Erhard betritt im Rathaus den Friedenssaal. Foto: Stadt Münster - Sammlung Stadtmuseum, Krause. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
Willy Brandt war oft in Münster - hier im Bundestagswahlkampf 1972. Foto: Stadt Münster - Sammlung Stadtmuseum, Krause. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
Helmut Schmidt, als Altkanzler und Friedenspreisträger noch 2012 in Münster, wirbt hier im Jahr 1976 um Wahlkampfstimmen. Foto: Stadt Münster - Sammlung Stadtmuseum, Krause. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
Kein Kanzler war so oft in Münster wie Helmut Kohl. Foto: Christoph Preker, Bildarchiv Joachim Hilpert. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfre