Im nächsten Jahr werden die Investitionen wegen einer Reihe von Großprojekten auf das Rekordhoch von 285 Mio DM schnellen. "Noch viel zu hohe 171 Mio DM an neuen Krediten werden zu deren Finanzierung benötigt. Für die Jahre danach greift aber die Schuldenbremse: Die gesamte Netto-Neuverschuldung bleibt bis 2002 knapp unter der vereinbarten Obergrenze von 280 Mio DM." Dies sind zentrale Botschaften des Haushalts-Zahlenwerks, das Stadtkämmerer Dr. Tillmann "mit einer gewissen Freude" in der Ratsitzung am 16. Dezember vorstellte.
"Mit diesen Zahlen des fast 1,5 Mrd DM 'schweren' Haushalts", so der Kämmerer in der Bewertung, "kann sich Münster auch im Vergleich mit anderen Großstädten sehen lassen. Wir müssen aber rechtzeitig die Weichen dafür stellen, daß wir unter den sich ändernden Rahmenbedingungen unsere stabile Haushalts- und Finanzlage nicht verlieren."
Das Motto für die Etataufstellung
"Tue recht und scheue niemand" - nach diesem alten Grundsatz hat Münsters Finanzchef nach eigenem Bekunden auch in diesem Jahr den Etatentwurf aufgestellt und das fast 1300 Seiten starke Zahlenwerk zur Beratung in den Rat eingebracht. Dabei formulierte er im Gegenzug seinen "besonderen Wunsch, die inzwischen landes- und bundesweit berühmt gewordene finanzpolitische Sonderstellung unserer Stadt nicht durch übergroße politische Korrekturen - zumal im Jahr der Kommunalwahlen - aus dem Gleichgewicht zu bringen".
Die Einbringung des Haushalts sei mehr als ein jährliches Ritual, der städtische Etat beinhalte mehr als das Datenmaterial einer Unternehmensbilanz, versuchte Tillmann den Zuhörern und Zuschauern - die Kernaussagen wurden wie im letzten Jahr auf einer Großleinwand optisch präsentiert - zu veranschaulichen. "Öffentliche Haushaltspläne - und damit auch der Etat der Stadt Münster - können noch wesentlich besser als Parteiprogramme, Koalitionsverträge oder sonstige Formen politischer Versprechungen Auskunft darüber geben, welche Belange besonders wichtig genommen werden, welche Anliegen 'hinten runter' fallen, ob, und wenn ja, welche besonderen Lobby-Interessen Berücksichtigung finden, wo der politische Schuh besonders drückt, mit welchem Kurs die Reise in die Zukunft angetreten wird, welche ideologischen oder bürokratischen Steckenpferde geritten werden, welche Spielräume eröffnet werden, welche Risiken erkennbar sind. Kurzum: Ein Haushalt gibt darüber klar Auskunft, was man der Bürgerschaft politisch verspricht, aufs Auge drückt, anbietet oder auch zumutet."
Tillmanns Haushaltsplan-Entwurf ist ausgeglichen. Und dies vor allem aufgrund der Wertschöpfungsergebnisse des Handels, des Handwerks, der Landwirtschaft, des Mittelstandes, der Industrie und der Dienstleistungsunternehmen und der hohen Kaufkraft aus den Berufs- und Arbeitseinkommen der Bürgerinnen und Bürger Münsters und des Münsterlandes.
Die Finanz-Eckwerte des Haushalts 1999
Mit den 15 wichtigsten Kennzahlen hat der Finanzdezernent den Etat und die mittelfristige Finanzplanung beschrieben und die Besonderheiten der münsterschen Finanzsituation erläutert. Das Volumen des Verwaltungshaushalts '99, der alle nicht investiven Etatpositionen enthält, liegt bei 1,132 Mrd DM. Gegenüber dem im März dieses Jahres beschlossenen Etat '98 bedeutet dieser Betrag eine Steigerung von rund 69 Mio DM oder 6,5 Prozent. Gegenüber dem "gewerbesteuergestärkten" Nachtrag vom November verringert sich der Verwaltungs-haushalt '99 hingegen um gut 36,5 Mio DM.
Mit den kalkulierten Steuereinnahmen in Höhe von fast 706 Mio DM lassen sich annähernd zwei Drittel der laufenden städtischen Ausgaben finanzieren. Bei der wichtigsten Einnahmequelle, der Gewerbesteuer, erwartet der Kämmerer "nach dem 'Ausnahmejahr' 1998 für das nächste Jahr allerdings eine Einnahmeverstetigung auf dem etwas bescheideneren 97er Niveau." Die hohe Steuerkraft in diesem Jahr habe aber auch zur Folge, daß die Stadt im nächsten Jahr keine einzige Mark an Schlüsselzuweisungen vom Land erhalten werde.
Der Vermögenshaushalt wächst um über 20 Prozent auf 355,7 Mio DM. Die echten Investitionen steigen gegenüber dem Nachtragshaushaltsplan 1998 um fast 15 Prozent auf rund 285 Mio DM. Einige Großprojekte, die zu diesem Volumen beitragen: das Schulzentrum Hiltrup, der Neubau der Norbertschule, das Hallenbad Mitte, die Halle Münsterland, der Ausbau des Albersloher Wegs und das Schulzentrum Wolbeck. Die Netto-Neuverschuldung macht einen Sprung auf fast 141 Mio DM. Darin sind allerdings Netto-Kreditaufnahmen in Höhe von gut 23 Mio DM enthalten, die bereits mit den dahinterstehenden Investitionsausgaben über den Nachtragshaushalt von '98 auf '99 verschoben wurden.
Sorgen bereitet dem Kämmerer die anhaltende Eigenfinanzierungsschwäche des städtischen Vermögenshaus-halts, die den städtischen Schuldenstand bis Ende 1999 um 19 Prozent auf über 884 Mio DM - oder 3 333 DM je Einwohner - anwachsen lassen wird, "falls in den Etatberatungen und in der späteren Bewirtschaftung keine Korrekturen nach unten vorgenommen werden", so Tillmann vorsichtig optimistisch. Auf der Habenseite sei allerdings eine Sicherheits-Rücklage zu verbuchen, die Ende nächsten Jahres bei stolzen fast 95 Mio DM liegen werde.
Finanzpolitisch von "Moll" nach "Dur"
"Nach unseren derzeitigen Erkenntnissen und Planungen sieht es so aus, als würden wir im Jahr 2002 wieder echte schwarze Zahlen schreiben," faßte Tillmann die Perspektive des Zahlenwerks zusammen. Zur Illustration kleidete er diesen Zukunftstrend in ein Bild aus der Musik: "Ob der sich zaghaft andeutende Wechsel in der finanzpolitischen Tonlage von 'Moll' nach 'Dur' bei uns mittelfristig wirklich eintritt und vor allem auch stabil bleibt oder ob uns die große Konjunktur und der Arbeitsmarkt doch wieder einen Strich durch die sorgsam gesetzte Partitur unserer künftigen Haushalte machen, ob vor allem unsere in Richtung 'Forte' überarbeiteten Steuerschätzungen wirklich tragfähig werden oder ob die bislang in ihren Wirkungen vor Ort nach wie vor kaum abschätzbare, aktuelle Steuerreform des Bundes die erhoffte Gesamt-Symphonie der öffentlichen Einnahmen positiv oder negativ beeinflußt: Wir wissen es alle noch nicht. Nicht der neue Dirigent im Finanzministerium in Bonn, nicht der Orchestervorstand der neuen Koalition auf Bundesebene, nicht die Streicher-Riege der Länderfinanzminister, nicht die Klagelied-Sänger der verschiedenen Lobbygruppen und auch nicht der Kämmerer der Stadt Münster, der - um im Bild zu bleiben - volkswirtschaftlich gesehen, allenfalls über das finanz- und steuerpolitische Instrumentarium einer Triangel verfügt."
Perspektiven finanzpolitischer Rahmenbedingungen für Münster Nach diesem Intermezzo erläuterte der Kämmerer fünf der bedeutendsten standortpolitischen Rahmenbedingungen und Zukunftsentwicklungen, die die Finanzen der Stadt Münster langfristig beieinflussen werden: die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die Auswirkungen der aktuellen Steuerreform, der Euro und Europa, die Nachhaltigkeit der Stadt- und Regionalentwicklung sowie die angekündigte Verwaltungsstrukturreform des Landes, die Münster als Verwaltungszentrum Westfalens erheblich betrifft.
"Diese Entwicklungen sollten uns in Münster", so Tillmann resümierend, "im Hinblick auf die künftige Ausrichtung unserer generellen Politik für unsere Stadt, das Münsterland und auch für Westfalen unruhig machen. Denn sie markieren potentielle Knotenpunkte nicht nur für den wirtschaftlich-technologischen, sondern auch für den sozialen Wandel vor Ort, die es wohl nicht mehr erlauben werden, das trotzige Motto 'Mönster bliew Mönster' auch über die Zeit des Karnevals hinaus als Politik- und Verhaltensgrundlage generell zu konservieren."
Nicht Glück allein
Münster habe - bezogen auf seine Finanzlage - bislang zweifellos Glück gehabt. "Das Glück des (oder besser im Plural gesagt: der) Tüchtigen", wie Tillmann es ausdrückte. Münster habe auch im laufenden Jahr Glück gehabt (Stichwort: unerwartete Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer), und es sei zu hoffen, daß Münster das finanzpolitische Glück auch in den nächsten Jahren erhalten bleibe. Dem Kämmerer lag aber sehr daran, klarzustellen, daß die relative Ausnahmeposition Münsters im Hinblick auf die Haushaltsstabilität kein "Naturereignis" sei, sondern "daß wir uns diese Stabilität immer wieder neu erkämpfen müssen und daß wir vor allem einen Fehler nicht machen dürfen: nämlich zu glauben, daß diese erfreuliche Situation sich auch ohne weiteres in der Zukunft fortsetzen wird - egal wie sich die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt außerhalb unserer Stadt entwickeln und wie die politischen Prioritäten innerhalb unserer Stadt gesetzt werden".