Es ist seit einigen Jahren gute Tradition in Münsters Rathaus, daß der Kämmerer zum Start der Etataufstellung für das nächste Jahr den Finanzpolitikern im Rat die Etatbücher öffnet. „So wissen alle, was finanzierbar ist und was zurückgestellt oder gestrichen werden muß“, bringt Tillmann den Zweck seines Berichts an den Haupt- und Finanzausschuß auf den Punkt.
In den vergangenen Jahren lag das Hauptaugenmerk dabei auf den laufenden Einnahmen und Ausgaben des sogenannten Verwaltungshaushalts: „Diesen Haushaltsteil ausgleichen und ein staatlich verordnetes Haushaltssicherungskonzept vermeiden“, lautete die Devise im Stadthaus und im Rathaus. Das ist spätestens seit der letzten aufschreckenden Etatrede des Kämmerers im Dezember letzten Jahres nicht mehr alles: Die perspektivischen Kreditaufnahmen machen es unmißverständlich erforderlich, die Aufmerksamkeit gleichrangig ebenfalls auf den Investitionsbereich und die Kreditfinanzierung zu richten, „wenn wir nicht spätere Haushalte und damit unsere Kinder mit Tilgungen und Zinsverpflichtungen überbelasten wollen“, mahnt nicht nur Dr. Berthold Tillmann. Auch die Bezirksregierung ist auf das Problemfeld gestoßen. Auch sie empfiehlt der Stadt, die „Netto-Neuverschuldung auf das unbedingt notwendige Mindestmaß zu reduzieren“.
Investitionen kritisch untersuchen
Offensichtlich sind sich inzwischen seit einigen Tagen alle Dezernenten und die Oberbürgermeisterin bei diesem Finanzziel einig. In der von Tillmann initiierten Investitionskonferenz der Verwaltungsführung wurde aktuell vereinbart, die Neuverschuldung der Stadt in den nächsten Jahren zu deckeln. Ein schwieriges Unterfangen, weil viele Investitionswünsche nicht unter den Schuldendeckel passen werden.
Für die Standortpolitik und die Stadtentwicklung muß die kritische Untersuchung jeder Investitionsmaßnahme allerdings nicht das „Aus“ bedeuten. Ganz im Gegenteil, prognostiziert Dr. Berthold Tillmann: „Nur langfristiges Denken und Handeln - gerade in Investitions- und Schuldenfragen - zahlt sich auf Dauer aus. Die Konzentration auf die absolut wichtigsten Investitionsprojekte, die dann nach sorgfältiger Vorbereitung mit besonderem Bedacht durchgeführt werden können, wird Münster auf die alles entscheidende lange Sicht nur nutzen.“
Wie ernsthaft die Verwaltung es wirklich mit der Schuldenbegrenzung meint, wird sich bereits in Kürze zeigen. Denn ab sofort wird das verwaltungsinterne Verfahren zur Aufstellung des Haushaltsplans und des Investitionsprogramms in einigen Punkten an die Notwendigkeiten angepaßt. „Vereinzelt wird es Frust geben, wenn wir aufgrund fehlender Eigenmittel gemeinsam das eine oder andere Investitionsprojekt verschieben oder nur dann realisieren, wenn die Finanzierungsmittel von einem anderen Projekt abgezogen werden. Insgesamt werden wir in zehn oder 20 Jahren aber froh sein, daß wir heute den ‘Turn-around’ bei der Netto-Neuverschuldung eingeleitet haben“, blickt Kämmerer Tillmann zuversichtlich in die Zukunft.
Ob dann auch der Rat bei dieser Handlungsstrategie mitzieht, wird sich spätestens bei der Verabschiedung des 99er-Etats im nächsten März herausstellen, weil dann auch das Investitionsprogramm und dessen Finanzierung bis einschließlich 2002 festgelegt wird.
Münster hat noch eigenen Gestaltungsspielraum
Die neuesten Planungszahlen für die nächsten Jahre sind aber nicht ausschließlich schlecht. „Verglichen mit anderen großen Städten können wir uns weiterhin glücklich schätzen, daß wir für unsere Haushalte noch eigene Gestaltungsmöglichkeiten haben. Sparen muß auch Münster, aber wir schreiben zumindest in den beiden nächsten Jahren noch keine roten Zahlen.“
Ein tieferer Blick in den Zahlenwald zeigt schnell einen der Hauptgründe für den relativen Optimismus des Finanzchefs: Die Gewerbesteuer wächst seit 1993 mit in manchen Jahren sogar zweistelligen Zuwachsraten. Auch im laufenden Jahr sind die Einnahmen bislang sehr erfreulich. Beim Pro-Kopf-Gewerbesteueraufkommen aller Städte in der Größenordnung zwischen 200 000 und 500 000 Einwohnern hat sich Münster in den letzten Jahren bundesweit auf Platz 1 hochgearbeitet. „Ein sehr guter Trend“, so Dr. Berthold Tillmann, „aber keinesfalls mit Garantie für alle Zeit“.
Eine weitere gute Nachricht gibt es aus dem Finanzdezernat zu berichten: Das „100-Millionen-Konsolidierungsprogramm“, das im Sommer 1996 für die Jahre 1997-2000 aufgelegt wurde, konnte erfolgreich umgesetzt werden. Dies zeigt sich im voraussichtlichen Ausgleich der laufenden Haushalte in den Jahren bis 2000.
In den späteren Jahren 2001 und 2002 klaffen allerdings wieder ungedeckte Löcher in den Plan-Etats: 8,3 Millionen DM in 2001 und über 27 Millionen DM im letzten Jahr der Finanzplanung 2002. Ob für diese Jahre erneut ein systematisches Konsolidierungsprogramm oder ein aufgabenkritisches Sparprogramm entwickelt und umgesetzt werden muß, wird in den nächsten Monaten vom Stadtkämmerer zu prüfen sein.
Der Bericht des Kämmerers wird in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 10. Juni öffentlich beraten.