(SMS) Auf den ersten Blick ein unscheinbares Stück Leder, bei näherer Betrachtung indes spannender Fund: Bei den Ausgrabungen am Parkplatz Stubengasse in Münster förderten die Archäologen aus einem verfüllten Brunnen einen Pergamentrest zutage, der - so entsprechende Forschungen - aus der Zeit um 1600 stammt. Das Besondere ist sein lateinischer Aufdruck, er weist das Lederfragment als "Zitation" aus. Mit diesem Formularvordruck wurden Angeklagte, Zeugen oder Kläger vor das Gericht des münsterschen Bischofs bestellt.
Nach langwieriger Restaurierung in einem Fachlabor in Schleswig wird das geschichtsträchtige Objekt in der Ausstellung "Vom unterirdischen Münster" im Stadtmuseum ausgestellt. "Gemeinsam mit anderen Vergleichsstücken jener Epoche, die uns das Staatsarchiv zur Verfügung stellte", so Ausstellungskurator Dr. Bernd Thier zu diesem weiteren aktuellen Münster-Fund.
Wurden im 17. Jahrhundert Formulare auf preiswertem Papier gedruckt, mußte es für die Vorlage haltbares Leder sein. "Sie blieb gewissermaßen als ständiges Anschauungsstück - in der Fachsprache "Mater" genannt - in der Schublade des Druckers", erläutert Bernd Thier. Bei einem erneuten Auftrag konnte dieser den Text anhand der Mater ohne großen Aufwand neu setzen.
Aus wessen Werkstatt stammt aber das Exponat aus den Stubengassen-Tiefen? Gemeinsam mit einem Altphilologen setzte sich das Stadtmuseum auf die historische Spur. Sie führte nach Textübersetzungen und Schrifttyp-Vergleichen zur Werkstatt des Buchdruckers Lambert von Raesfeld (1567-1617). Neben gebundenen Werken druckte er auch Schriftstücke, Formulare und Verordnungen für den Bischof und das Domkapitel. Seine Werkstatt, das "Officium Typographicum", befand sich im Gebäude der alten Domschule am Horsteberg. Wie das edle Lederstück allerdings am Ende in einen als Kloake benutzten Brunnen an der Stubengasse gelangte, darüber darf die Nachwelt 400 Jahre später vor der Museumsvitrine rätseln ...
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Pressemitteilungen
04.12.1998