Es gibt kein "vorn" und kein "hinten" in der Arbeit von Andreas Gehlen. In der raumgreifenden und begehbaren Installation experimentiert der Künstler mit fragilen Schwebeverhältnissen, die im Moment höchster Dynamik innehalten. Eingefroren in einem performativen „Still“ nimmt die Installation "segmentation cavety in zero gravitiy" Bezug auf die Architektur der Ausstellungshalle.
Eine durchsichtige Plexiglaskapsel aus einer anderen Galaxie scheint sich verirrt zu haben. Das unbekannte Flugobjekt trägt Spuren des Aufpralls. Eine Vielzahl plastischer Ordnungselemente haben seine Geschwindigkeit gebremst und bringen es in eine vorläufige Ruheposition. Der phantastische Schöpfungskosmos von Andreas Gehlen erzählt sich selbst weiter: Durch den Aufprall sprießen die Baumstümpfe neu, farbige Kabelbäume zwingen sie zum Wachstum.
Organisches und anorganisches Material durchbricht die dichte Lattenkonstruktion und sorgt dafür, dass die kosmische Landestation im Raum schwebt. Harmonie und Disharmonie - Chaos/Ordnung, Zerfall/Wachstum, Kräfte/Gegenkräfte - halten sich im Gleichgewicht. Farbige Seile spannen die Installation zwischen Himmel und Erde. Nichts mehr scheint wirklich geerdet. Die verborgenen Gesetze dieser kosmischen Situation werden nicht aufgelöst. Auch nicht, wenn der Besucher hinter die Kulissen der Installation tritt, denn hier erwarten ihn neue Fragestellungen.
Andreas Gehlen, geboren 1969 in Bonn, hat Freie Kunst an der Hochschule für bildende Künster in Braunschweig (Klasse von Prof. Thomas Virnich / Prof. Raimund Kummer) studiert und war Meisterschüler bei Prof. Walter Dahn. 2004 nahm er ein Stipendium auf Schloss Ringenberg wahr.
Kathrin Schlegel untersucht die subtilen Gewohnheiten ritualisierten ‚Benehmens’. In überzeichneten Alltagsszenen schärft sie die Wahrnehmung für die Ambivalenzen kanonisierter Umgangsformen und denkt Ritualfolgen neu. Zunächst hatte sie eine Installation mit Kirchenbänken geplant. Diese Arbeit konnte nicht realisiert werden. Ein Relikt daraus sind Schmetterlinge und Nachtigallen, die sie in ihrem neuen Entwurf - dem "Gefrorenem Paradies" - konserviert hat.
Die Künstlerin spielt mit Metaphern. In dem überdimensionalen - in seinem Inneren fast sakral anmutenden - Kühlturm lässt Kathrin Schlegel die Paradiesgefährten zusammen mit einen Springbrunnen im Eisregen bei minus 18 Grad Celsius erstarren. Die industrielle Kältezelle (3,5 x 2,3 Meter im Grundriss, 3,5 Meter Höhe) als profaner „hortus conclusus“ fügt sich in die Architektur der Ausstellungshalle ein und ist als Raum im Raum für den Besucher zugänglich.
Durch ein rundes Oberlicht fällt in die märchenhaft-ironische Situation im Inneren des Wellblechcontainers natürliches Licht. Die Suche nach Orientierung in einer Welt gefrorener Sinnlichkeit ist für die Cusanus-Stipendiatin ein Weg ambivalenter Erkenntnisprozesse. In ihren künstlerischen Arbeiten begibt sich Kathrin Schlegel auf die Suche nach übrig geblieben ‚wertvollen’ Ritualen. Diese Relikte verändert, transformiert und formuliert sie neu.
Kathrin Schlegel (* 1977 in Nordhorn) begann 1997 ihr Kunststudium an der Academy of Fine Arts and Design AKI in Enschede und wechselte 2001 zur Kunstakademie in Münster. Hier studierte sie in der Klasse von Timm Ulrichs und Guillaume Bijl, bei dem sie 2002 Meisterschülerin wurde. Das Cusanus-Werk zeichnete sie 2001 mit einem Künstlerstipendium aus. Seit zwei Jahren arbeitet Kathrin Schlegel in Amsterdam (Postgraduate am Sandberg-Institut). Die Ausstellung wird unterstützt von der Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Kulturarbeit e.V., vom Land Nordrhein-Westfalen und vom Freundeskreis der Ausstellungshalle.
Info: Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst, Speicher II, Hafenweg 28; Eröffnung am 15. Juli, 19.30 Uhr durch Bürgermeisterin Karin Reismann, Einführung: Jens Mentrup, Kurtor der Simultanhalle, Köln; Öffnungszeiten: dienstags bis freitags 14 bis 19 Uhr; samstags/sonntags 12 bis 18 Uhr.
Foto: Es gibt kein "vorn" und kein "hinten" in der raumgreifenden und rundum begehbaren Installation von Andreas Gehlen. Foto: Presseamt Stadt Münster. Veröffentlichung honorarfrei.