Folgt der Rat dem Vorschlag der Verwaltung, könnte die Westfälische Landes-Eisenbahn (WLE) am 1. Oktober 2003 vielleicht Jahrhundert-Geschichte schreiben. Wo vor genau 100 Jahren mit einer Dampflokomotive die Strecke Münster - Beckum eröffnet wurde, könnte diesmal mit dem Talent der neue "ICE des Nahverkehrs" an den Start der 35 km langen Strecke gehen.
An Fahrgästen dürfte es nicht fehlen. Aus dem WLE-Korridor fahren an jedem Werktag mehr als 20 000 auswärtige Pendler mit Bus oder Auto nach Münster. Außerdem benutzen über 30 000 Münsteraner aus dem Stadtbereich Südost/Mitte diesen Korridor. Entsprechend hoch ist die von Gutachtern erwartete Nachfrage. Nach Angaben von Stadtbaurat Gerhard Joksch wäre sie mit 6100 Fahrgästen pro Werktag dreimal höher als auf der Strecke Münster - Coesfeld (1800 Fahrgäste) und doppelt so groß wie auf dem Korridor Münster - Warendorf/Bielefeld (2300).
Stadt und Zweckverband Schienenpersonennahverkehr Münsterland haben der WLE-Strecke in den Nahverkehrsplänen für Münster und die Region höchste Priorität eingeräumt. Auch der Flächennutzungsplan setzt die Wiederinbetriebnahme für den Entwicklungskorridor "Albersloher Weg - südöstliches Münsterland" voraus. Auf der Grundlage einer detaillierten Untersuchung schlägt die Verwaltung vor, für den Abschnitt mit den Haltepunkten Wolbeck - Angelmodde - Gremmendorf - Loddenheide - Halle Münsterland - Hauptbahnhof einen 20-Minuten-Takt vorzusehen.
Nun ist der Rat der Stadt gefragt, ob er grundsätzlich bereit ist, sich gemeinsam mit dem Land, dem Zweckverband und dem Kreis Warendorf an den Bau- und Betriebskosten der Strecke zu beteiligen. Die Zustimmung würde den Weg für Grundsatzgespräche mit dem Zweckverband und dem Kreis Warendorf frei machen. Führen diese zum Konsens und stimmt der Rat dem Verhandlungsergebnis in aller Form zu, wäre der Zweckverband als regional zuständige Instanz mit der endgültigen Entscheidung über die Wiederaufnahme des Personenverkehrs an der Reihe.
"Wenn jetzt das Signal auf "freie Fahrt" gestellt wird, hat der Zweckverband noch gute Chancen, dass das Land 90 Prozent der rund 97 Mio DM Kosten für Ausbau und Sicherung der Strecke, für Bahnübergänge, Haltepunkte und Planung trägt", sagte Dr. Friedrich-Wilhelm Oellers, Leiter der Abteilung Verkehrsplanung im städtischen Planungsamt. Er gibt zu bedenken: "Wenn wir zu lange warten, fließen die sogenannten Regionalisierungsmittel des Landes andernorts in entsprechende Vorhaben, und wir haben auf Dauer das Nachsehen."
Die Verwaltung empfiehlt ein Finanzierungsmodell, bei dem die verbleibenden zehn Prozent Investitionskosten von der WLE GmbH vorfinanziert und über die jährlichen Betriebskosten mit dem Zweckverband verrechnet werden. Mit rund 4 bis 5 Mio DM läge der jährliche Zuschuss zu den Betriebskosten voraussichtlich etwas niedriger als bei den Strecken nach Warendorf und Coesfeld. Wer welchen Anteil an diesem Zuschuss zu tragen hätte, würden die Gespräche mit dem Zweckverband und dem Kreis Warendorf ergeben, der neben Münster zweiter Hauptnutznießer der Strecke wäre.
Die WLE-Vorlage wird am 8. Juni im Planungsausschuss eingebracht. Nach den Sommerferien folgt die Beratung in den parlamentarischen Gremien. Die abschließende Behandlung im Rat ist für den 13. September vorgesehen.