18.12.1998

Friedensjubiläum als Zukunftsinvestition

Oberbürgermeisterin Marion Tüns und Kulturdezernentin Helga Boldt zogen Bilanz / Bürgerinnen und Bürger setzten sich intensiv mit historischem Erbe auseinander

(SMS) Das Jubiläumsjahr des Westfälischen Friedens geht zu Ende. Münster hat weit mehr als 500 Veranstaltungen erlebt, die Hunderttausende Menschen aus der ganzen Welt - allein im Friedenssaal des Rathauses wurden fast 170 000 Besucher gezählt - nach Münster führten. Zehn Tage vor dem "Finale" zieht Oberbürgermeisterin Marion Tüns Bilanz: "Die Bürgerinnen und Bürger Münsters haben im Verlauf des Jahres ein tiefes Bewußtsein für ihre persönliche und ganz direkte Verantwortung für den Frieden entwickelt. Die Vielzahl der von den Bürgern selbst gestalteten Veranstaltungen sind ein Beleg für die Intensität, mit der sich die Münsteraner mit diesem Thema auseinandersetzen."

Die starke Bürgerbeteiligung, gepaart mit einem außerordentlich positiven Echo in den Medien - über 5000 Berichte sind bereits archiviert - dokumentieren die hohe Akzeptanz des Friedensjubiläums. Dafür, so Kulturdezernentin Helga Boldt, sei nicht zuletzt die Leitidee des Jubiläums verantwortlich, die den Westfälischen Frieden als einen europäischen Frieden würdige. Unter dem Motto ‘Europa, Region, Zukunft’ sei der europäische Gedanke konsequent in das Jubiläumsjahr integriert gewesen. Viele Veranstaltungen fanden in Zusammenarbeit mit den Partnerstädten Münsters oder mit internationalen Gästen statt.

Die in den Friedensverträgen dokumentierte Idee der Toleranz wurde während des Jubiläums als Anspruch für die Zukunft in vielen Facetten formuliert. Als deutlich erkennbares Gesamtkonzept lagen die wichtigsten Projekte dabei bewußt in zeitlicher Nähe zu historischen Daten des Friedensschlusses und gaben so das zeitliche Gerüst für die Feierlichkeiten vor.

Besucherrekord im Stadtmuseum

Entsprechend diesen historischen Fixpunkten begann das Jubiläumsjahr mit einem "Paukenschlag". Am 30. Januar, dem 350. Jahrestag der Unterzeichnung des "Friedens von Münster" zwischen Spanien und den Niederlanden, verlieh die Stadt Münster ihren renommierten Historikerpreis an Konrad Repgen und öffnete gleichzeitig die Pforten zu einer Ausstellung, die dem Stadtmuseum einen Besucherrekord bescherte. 116 500 Besucher haben die Ausstellung "30jähriger Krieg, Münster und der Westfälische Frieden" zwischen Januar und Oktober gesehen. "Die Präsentation war ein gutes Beispiel für anschaulich inszenierte Geschichte", stellt Helga Boldt fest. Der Bogenschlag vom historischen Ereignis hin zur Auseinandersetzung mit aktuellen Friedensproblemen sei hier, genau wie bei vielen anderen Jubiläumsveranstaltungen, geglückt. Kooperation im In- und Ausland Weiterer Höhepunkt war der 15. Mai 1998, die 350. Wiederkehr der Beschwörung des Spanisch-Niederländischen Teilfriedens. "Der Besuch von Kronprinz Willem-Alexander der Niederlande betonte das nachbarschaftlich-gute Verhältnis der Stadt Münster zu den Niederlanden und trug entscheidend zur intensiven Auslands-Berichterstattung über das Jubiläumsjahr im Nachbarland bei", so Oberbürgermeisterin Marion Tüns.

In zeitlicher Nähe dieses Termins lag eine Vielzahl von Ereignissen mit großer Publikumsresonanz auf den Straßen und Plätzen Münsters: Das Theater-Spektakel "PAX", das Westfälische Musikfest, das Open-Air-Wochenende in Zusammenarbeit mit dem Westdeutschen Rundfunk, die Vergabe des Westfälischen Friedenspreises an Vaclav Havel und Gesto por la Paz sowie der Besuch des Dalai Lama und der NRW-Tag. Basis für diese Programmfülle war die gelungene Kooperation der Stadt mit vielen Gruppen und Institutionen aus Münster und der Region, ohne die, so Helga Boldt, "das Mammutprogramm gar nicht möglich gewesen wäre".

150 000 Internet-Nutzer

Das Friedensjahr fand seine Entsprechung im Internet. Kein anderes Medium schien geeigneter, den völkerverbindenden und internationalen Charakter des Jubiläums zu betonen. In den Sprachen der 1648 beteiligten Nationen erstellt, wuchs unter der Adresse www.muenster.de/friede im Laufe des Jahres ein Dienst, der von über 150 000 Menschen im In- und Ausland genutzt wurde.

Auseinandersetzung mit der Geschichte

Für intensive, fruchtbare Diskussionen der eigenen Geschichte sorgte die "Wehrmachtsausstellung". Mehr als 30 000 Besucher setzten sich in den Räumen der Volkshochschule mit dem Thema ‘Krieg und Frieden’ auseinander; über 800 Führungen vermittelten das nötige Hintergrundwissen. Im Internet bot die VHS die Gelegenheit, das Für und Wider der Ausstellung zu diskutieren. Konsequent weitergeführt wird diese Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit durch die Entwicklung der Villa ten Hompel zu einer Stätte des Erinnerns, der Forschung und der historisch-politischen Bildung. 700 Journalisten aus 19 Ländern

Eine Zukunftsinvestition für Münster war der 24. Oktober. Der Besuch von 20 Staatsoberhäuptern "hat für den guten Ruf unserer Stadt mehr gebracht, als eine Imagekampagne für einen zweistelligen Millionenbetrag bewirken könnte", zieht die Oberbürgermeisterin Bilanz. Über 10 000 Zuschauer säumten die Straßen; 700 Journalisten aus 19 Ländern berichteten für Zeitungen, Zeitschriften, Radio und Fernsehen aus Münster. Bis zum heutigen Tag haben sich rund 63 000 Besucher in der Europaratsausstellung im münsterschen Landesmuseum (Osnabrück rund 24 000 Besucher) mit dem Thema Krieg und Frieden auseinandergesetzt - und können das noch bis zum 17. Januar 1999 tun.

Friedenserziehung für Kinder und Jugendliche

Geschichte zum Erleben, gerade auch für die Jugend: Das Schultheatertreffen der Länder, ein internationales Kinder- und Jugendcamp im Sommer, die Jugend-Ausstellung "Vivat Pax", der UNICEF-Friedenstag und Welt-Kindertag sowie die "Mobile Kinder- und Jugendbibliothek" auf Fahrrädern mit Jugendliteratur zu Krieg und Frieden und eine Materialsammlung mit umfangreichen Anregungen zur Friedenspädagogik in Schule und Jugendarbeit machten den Westfälischen Frieden für Tausende Kinder und Jugendliche zum zentralen Thema.

Positionierung in Europa

"Der hohe Anspruch an das Jubiläumsjahr wurde eingelöst", blickt Kulturdezernentin Helga Boldt zurück. Die 350. Wiederkehr des Friedensschlusses in dieser Form zu gestalten, "ist nur möglich durch das seit Jahren gewachsene bürgerschaftliche Engagement, gepaart mit einer wirkungsvollen Unterstützung durch Sponsoren und Förderer aus der Wirtschaft und einer kontinuierlichen Kooperation mit Vertretern aus Osnabrück und der Region." Münster habe sich durch das Jubiläum innerhalb Europas positioniert und das eigene kulturhistorische Profil geschärft. "Die Stadt hat das historische Ereignis genutzt, um sich auch der eigenen Verantwortung für ein friedliches Europa bewußt zu werden."

Dokumentation Ein Jubiläum dieser Größenordnung wird nicht mit dem 31. Dezember abrupt beendet. Für das Frühjahr kündigt Rita Feldmann durch die Projektgruppe 1998 eine ausführliche Dokumentation der Höhepunkte als Buchpublikation und CD-Rom an. Eine Foto-Ausstellung wird darüber hinaus die wichtigsten und die interessantesten Momente des Jubiläumsjahres zeigen.