(SMS) Vom Schauplatz der NS-Verbrechen zum Ort des Lernens: Im Dezember wird die Villa ten Hompel als Stätte der Erinnerung, Bildung und Forschung eröffnet. Das Haus am Kaiser-Wilhelm-Ring war in seiner wechselvollen Vergangenheit von 1924 bis 1968 Tatort des Unrechts und zugleich Forum der Wiedergutmachung. In einer Serie blenden wir auf die Geschichte der Villa zurück. Heute: 1924 bis 1939 - Rudolf ten Hompel
"Ich bin Ihnen aufrichtig und herzlich dankbar für Ihre lieben Zeilen, die mich soeben erreichten. Leider macht man ja so häufig die Erfahrung, dass ‘Freunde’, denen man selbst in besseren Zeiten geholfen hat, alles vergessen zu haben scheinen, wenn man selbst vom Geschick betroffen wird". Diese Zeilen schreibt der Großindustrielle Rudolf ten Hompel am 31. Dezember 1931. Mit seiner schicksalhaften Einsicht nimmt der Bauherr der gleichnamigen Fabrikantenvilla gewissermaßen ein Stück weit die Erfahrung vorweg, die am Beginn des unvorstellbaren Leidensweges all jener Menschen steht, deren tragisches Los in der Folgezeit des NS-Regimes mit jenem herrschaftlichen Gebäude am Kaiser-Wilhelm-Ring 28 verbunden ist.
Die Geschichte der Villa ten Hompel wäre mit Sicherheit anders verlaufen, wenn ihr Erbauer, der als hochbegabter, aber eigensinniger Unternehmer galt und von Zeitgenossen als risikofreudige Spielernatur charakterisiert wurde, die Geschicke seines Wicking-Konzerns und damit das Schicksal seiner Familie in eine andere Richtung gelenkt hätte.
Wer war dieser Mann, der, von der Presse als ‘Zementkönig’ bezeichnet, durch eine maßlose Expansionspolitik zum führenden Unternehmer der gesamten Branche und zu einem der vermögendsten Bürger Münsters aufstieg? Der 1931 durch den finanziellen Zusammenbruch seines Konzerns von seinem Thron stürzte und - von ehemaligen Partei- und Geschäftsfreunden ignoriert - der gesellschaftlichen Verachtung anheim fiel?
Nach einer breit gefächerten Ausbildung in Maschinenbau, Volkswirtschaftslehre und in der internationalen Textilbranche löst der 1878 in Recklinghausen geborene Rudolf ten Hompel kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges seinen Vater als Alleinvorstand der "Wicking’schen Portland-Cement- und Wasserkalkwerke Recklinghausen" ab. Unter seiner Führung als Generaldirektor expandiert die Firma mit Verwaltungssitz in Münster durch den Aufkauf fremder Werke zum größten Zementkonzern im Deutschland der 20er Jahre.
Steile politische Karriere
Aber Rudolf ten Hompel strebt nach mehr als nur nach der Rolle des mächtigen Konzernchefs. Sein Engagement innerhalb der katholischen Zentrumspartei in wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen beschert ihm in der Weimarer Republik eine steile politische Karriere, die ihn als Reichstagsmitglied von 1920 bis 1928 nach Berlin führt. Er ist Präsidiumsmitglied des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, Mitglied zahlreicher Aufsichtsräte, Vorstände und Verwaltungsausschüsse, Ehrendoktor der Universität zu Münster.
Seiner wirtschaftlichen und politischen Stellung entsprechend gestaltet Rudolf ten Hompel sein Auftreten. Auch wenn der weitläufige Garten an der Rückseite der Villa längst nicht mehr existiert, vermittelt das Anwesen am Kaiser-Wilhelm-Ring mit seiner klassizistisch-barocken Fassade und der prunkvollen architektonischen Innengestaltung heute noch immer einen Eindruck vom herrschaftlichen Lebensstil der Industriellenfamilie. Hier leben ab 1928 das Ehepaar ten Hompel und die jüngsten der insgesamt sechs Kinder, unter ihnen eine taubstumme Tochter. Hier gibt Rudolf ten Hompel, neben dessen imposanter Erscheinung und patriarchalischem Auftreten seine ohnehin zierliche Frau Johanna, Fabrikantentochter aus Bocholt, noch zerbrechlicher und zurückhaltender erscheint, Ende der 20er Jahre glänzende Empfänge und rauschende Feste.
Es ist die Zeit der einsetzenden wirtschaftlichen Talfahrt, der dramatischen Verschärfung ökonomischer Verteilungskämpfe und sozialer Unsicherheit. Und so ist es nicht verwunderlich, dass der lockere und aufwendige Lebensstil ten Hompel den Ruf eines neureichen und selbstgefälligen Lebemannes einbringt. Es ist auch das Geschäftsgebaren des Großunternehmers und sein forsches Auftreten privat wie öffentlich, was ihn bei den Münsteraner Bürgern nicht besonders beliebt macht. Die Schadenfreude ist daher auch unverhohlen, als der Wicking-Konzern 1931 durch unverantwortliche Investitionen im In- und Ausland und durch den Zusammenbruch der Hauptgläubigerbank in Zahlungsschwierigkeiten gerät. Rudolf ten Hompel muss einer Übernahme seines Zement-Imperiums durch die Dyckerhoff-Zementwerke Wiesbaden unter Verlust seiner Position zustimmen.
Dem gesellschaftlichen Fall folgt die Gerichtsanklage
Der einst von Industrie und Politik allseits gefragte Mann zieht sich gezwungenermaßen von allen bedeutenden öffentlichen Ämtern zurück. Mit dieser Situation gesellschaftlicher Geringschätzung und Bedeutungslosigkeit, in der er die eingangs zitierten Briefzeilen schreibt, ist jedoch noch nicht der Tiefpunkt im Leben des Konzernchefs und Politikers erreicht. 1935 kommt es zu einem Aufsehen erregenden Prozess vor dem Landgericht Münster gegen den ehemaligen Generaldirektor, in dem die Hintergründe des Konzernzusammenbruchs aufgedeckt werden sollen. Die Anklage gegen Rudolf ten Hompel lautet auf Veruntreuung, Konkursvergehen, Vermögensverschiebungen und Urkundenfälschung.
Nach mehrwöchiger Verhandlungsdauer endet das Verfahren, an dem die Münsteraner Öffentlichkeit großes Interesse nimmt, mit der Verurteilung des 57jährigen zu drei Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 22 000 Reichsmark.
Über den weiteren Lebensweg der Familie ist nur Weniges bekannt. Im Adressbuch der Stadt Münster ist Rudolf ten Hompel das letzte Mal 1939 als Eigentümer und Bewohner der Villa am Kaiser-Wilhelm-Ring 28 genannt. Unter bisher nicht geklärten Umständen gelangt das Anwesen im Verlauf dieses Jahres in den Besitz des Reichsfiskus, und die Familie ten Hompel siedelt nach München über. Hier ist Rudolf ten Hompel als Geschäftsführer einer Baustoffgesellschaft mbH eingetragen, deren Firmensitz er 1942 von Westfalen nach München verlegt. 1948 stirbt Rudolf ten Hompel im Alter von 70 Jahren.