Nach Tillmanns fester Überzeugung ist das Rennen um den begehrten Titel für Münster nur zu gewinnen, wenn es als "Gemeinschaftsprojekt aller Münsteraner" und - im Falle einer erfolgreichen Bewerbung - als gemeinsames "Westfalen-Projekt" in und mit der Region betrieben wird. "Das ist ein Projekt, das weit über den Kulturbereich hinausreicht und interessiert", sagte Tillmann, der die Beschlussvorlage für den Rat gemeinsam mit Kulturdezernentin Helga Boldt und Marketingdezernent Hartwig Schultheiß vorstellte. Auch das Stadtjubiläum sei keine Veranstaltung nur für Historiker gewesen.
Der Oberbürgermeister freute sich daher über die großzügige finanzielle Unterstützung aus der regional und überregional ausgerichteten Münsteraner Kreditwirtschaft, die für die Bewerbung bereits jetzt ein Budget von etwa 250 000 Euro zur Verfügung gestellt hat. Tillmann nannte die Sparkasse Münsterland-Ost, den Westfälisch-Lippischen Sparkassen- und Giroverband, die Landesbausparkasse LBS sowie die regionale Kulturstiftung der Provinzial-Versicherungen, die auf seine Anfrage hin die Bewerbung mit nennenswerten Geldbeträgen unterstützen.
Außerdem erhofft er sich noch Unterstützung von der Landesbank Nordrhein-Westfalen. Von der Westfalen-Initiative liegt bereits die Zusage über einen namhaften Betrag vor. Wie berichtet, wird sie sich mit 50 000 Euro engagieren. Er gehe davon aus, so Tillmann weiter, dass auch aus weiteren Teilen der allgemeinen Wirtschaft noch Beträge zusammenkommen, um die Bewerbung voranzutreiben. "Es gibt trotz der angespannten konjunkturellen Situation zahlreiche positive Signale", sagte der Oberbürgermeister. Das zeige, wie hoch in der Wirtschaft der standortpolitische Wert einer Auszeichnung Münsters als "Europäische Kulturhauptstadt 2010" eingeschätzt werde.
Tillmann will die Bewerbung Münsters "im besten Sinne als Bürgerinitiative mit dem Oberbürgermeister als Schirmherrn" verstanden wissen. Es gehe um die Bündelung der projektbezogenen Kräfte der Verwaltung und der Bürgerschaft. Weder für den Rat noch für die Verwaltung sei das Thema mit der voraussichtlichen Beschlussfassung am kommenden Mittwoch erledigt. Ganz im Gegenteil: "Dann geht es erst richtig los", so Tillmann.
Die Stadtverwaltung könne das Projekt auch nicht alleine ohne Hilfe von außen stemmen. Der Oberbürgermeister war daher auch erfolgreich als "Headhunter" unterwegs. So soll Markus Müller, derzeit als Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Westfälischen Landesmuseum angestellt, das Projektmanagement übernehmen. Die Münsteraner kennen Müller als Kommunikationschef für die Skulpturenausstellung 1997 und die große Europaratsausstellung "1648 – Krieg und Frieden in Europa", die in Münster und Osnabrück gezeigt wurde. Zuletzt war Müller auch für die Kommunikation der diesjährigen documenta11 in Kassel zuständig. Auf Einladung des Centre Pompidou in Paris arbeitet er zurzeit an der Überarbeitung der Ausstellung "Sonic Process", die anschließend im Martin Gropius Bau in Berlin gezeigt werden soll.
Wie Tillmann erklärte, war Müller sein Wunschkandidat für die Aufgabe. "Wenn es bei der Bewerbung um die kulturpolitische Champions League geht, ist Markus Müller so etwas wie unser Rudi Völler", sagte der Oberbürgermeister, der sich Müller vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe "auslieh". Auch die Bereitschaft des Landschaftsverbandes, Müller befristet für das Projekt freizustellen, zeige, dass eine erfolgreiche Bewerbung Münsters von Bedeutung für die ganze Region sein könne, so Tillmann.
Der Oberbürgermeister erhofft sich von der Bewerbung einen Ruck, der gleichermaßen Engagement wie Ideen freisetzt. "Münster verfügt über hervorragendes Potenzial für eine erfolgreiche Bewerbung", betonte auch Kulturdezernentin Helga Boldt. Die Stadt biete eine facettenreiche und vitale Kulturlandschaft und pflege und unterstütze innovative Modelle der Kulturförderung. Münster mit seinem unverwechselbaren historischen Stadtkern, seiner bedeutsamen Geschichte sei überdies eine anerkanntermaßen weltoffene Stadt.
Allerdings stellt sich Münster mit seiner Bewerbung einer starken Konkurrenz. Auch wenn sich das Bewerberfeld noch nicht eindeutig sortiert habe, ist nach Informationen der Verwaltung mit Bewerbungen der Lutherstadt Wittenberg (gemeinsam mit Dessau), von Hamburg, München, Kassel, Augsburg und Bremen zu rechnen. Aus Nordrhein-Westfalen seien wenigstens die Bewerbungen der Städte Köln, Düsseldorf und Essen zu erwarten. In weiteren Städten sei die Entscheidung noch nicht gefallen.
Welche Stadt schließlich den begehrten Titel tragen darf, steht erst nach einem aufwändigen Auswahlverfahren fest. Die einzelnen Städte legen ihre Bewerbungen Anfang 2004 zunächst dem jeweils zuständigen Landesministerium vor. Über das Auswärtige Amt gehen sie zum Bundesrat. Dieser schlägt dann der Europäischen Union über das Auswärtige Amt eine Stadt oder mehrere Städte vor. Dort wird dann im Jahr 2006 die Entscheidung fallen. "Es ist ein Marathonlauf mit vielen Konkurrenten und Hürden", sagte Tillmann, der sich von den Münsteranern eine gehörige Portion sportlichen Ehrgeiz für die Bewerbung erhofft.
Der Titel "Europäische Kulturhauptstadt" wird ab dem Jahr 2005 nacheinander an Städte in den einzelnen Ländern der Europäischen Union vergeben. Eine deutsche Stadt ist 2010 an der Reihe. Bis zum Jahr 2005 lautet die offizielle Bezeichnung für den Ehrentitel "Kulturstadt Europas". Diesen Titel trugen Athen (1985), Florenz (1986), Amsterdam (1987), Berlin (1988), Paris (1989), Glasgow (1990), Dublin (1991), Madrid (1992), Antwerpen (1993), Lissabon (1994), Luxemburg (1995), Kopenhagen (1996), Thessaloniki (1997), Stockholm (1998) und Weimar (1999). Zur Jahrtausendwende wurden im Jahr 2000 mit Avignon, Bergen, Bologna, Brüssel, Helsinki, Krakau, Prag, Reykjavik und Santiago de Compostela neun Städte benannt. Im vergangenen Jahr trugen Rotterdam und Porto diese Auszeichnung, in diesem Jahr Brügge und Salamanca. Für das nächste Jahr wurde Graz benannt, 2004 werden es Genua und Lille sein, für das Jahr 2005 steht Cork fest.