Lars, 19 Jahre, beherrscht den Umgang mit den bunten Spraydosen und sieht das Graffiti-Sprühen als Ausdruck von Kreativität. Allerdings ist ihm nach Gesprächen mit geschädigten Eigentümern und Mitarbeitern des Amtes für soziale Dienste mittlerweile klar, daß Sprayen ohne Zustimmung von Eigentümern eine Straftat ist. Die Jugendstaatsanwaltschaft kann ihn in dieser Erkenntnis nur nachdrücklich bestärken. "Rechtlich ist das eindeutig", betont Staatsanwältin F. Futterer. „Wenn Hauseigentümer wie üblich Anzeige erstatten, folgt ein Strafverfahren wegen Sachbeschädigung.“
Was viele Sprayer nicht bedenken: Zusätzlich können sie zivilrechtlich von geschädigten Eigentümern belangt werden. "Da kommen schnell Forderungen von mehreren tausend Mark zusammen. Jugendliche müssen dafür selbst dann geradestehen, wenn sie zur Zeit kein eigenes Einkommen haben", erläutert Bernhard Gleitz.
Wohin also mit dem künstlerischen Drang? "Es müßte Flächen geben, die zum Besprühen freigegeben sind", sagt Lars. Daß auf solchen gewissermaßen "im Auftrag" besprühten Wänden durchaus respektable Kunstwerke entstehen können, hat er zusammen mit anderen Sprayern kürzlich bewiesen.
In Zusammenarbeit mit dem ASD hatte die Arbeiterwohlfahrt dafür die Fassade ihres Begegnungszentrums Am Nienkamp zur Verfügung gestellt. "Die Wand war durch illegale Schmierereien verunstaltet", berichtet Carola Renner, Leiterin des Zentrums. Jetzt hofft sie, daß sich Anwohner und Besucher lange an der neuen Fassade freuen können. Ihre Hoffnung könnte sich erfüllen. Denn, so Lars, "gut gestaltete Wände sind eigentlich tabu für andere Sprayer".
Nach dem Vorbild dieser Kooperation zwischen städtischer Jugendhilfe und Arbeiterwohlfahrt sucht Bernhard Gleitz weitere Flächen für das Projekt "Graffiti auf legalisierten Wänden". Eigentümer, die sich eine bunte neuen Fassaden oder Räume wünschen, sollten einfach zum Telefon greifen und das Amt für soziale Dienste unter der Nummer 4 92-56 18 anrufen.