"Ich freue mich, daß so viele Institutionen die Initiative aufgegriffen haben", sagte die Oberbürgermeisterin unter Hinweis auf Kopien von Protestschreiben, die ihr eine Reihe von Adressaten ihrer Anregung unaufgefordert zugeschickt haben. "Das beweist, daß mit dem Landschaftsverband wirklich für eine starke regionale Identität verbunden ist."
Die Handwerkskammer Münster bereite eine Resolution für die vier westfälischen Handwerkskammern vor, schreibt Geschäftsführer Dr. Karlheinz Leineweber an Oberbürgermeisterin Tüns. Er hofft, "daß die vereinten Bemühungen um den Erhalt des Landschaftsverbandes erfolgreich sein werden". Auch die Kammer ist der Auffassung, "daß der Landschaftsverband Westfalen-Lippe für die Region Westfalen unverzichtbar ist".
Weitere Unterstützung kommt vom DGB-Kreisvorstand Münster-Steinfurt-Warendorf. Vorsitzender Josef Hülsdünker: Der Vorstand hat beschlossen, "Ihre Initiative zur Sicherung einer effektiven Verwaltung in Nordrhein-Westfalen mit einem starken Landschaftsverband und dem Erhalt der Arbeitsplätze in Münster zu unterstützen". Das regionale Interesse an einer "passenden" öffentlichen Verwaltungsstruktur dürfe nicht "durch zentralistische Vorgaben aus Düsseldorf ausgehebelt werden", heißt es im Brief des DGB an die Oberbürgermeisterin.
Die oberzentrale Rolle Münsters sei in den letzten Jahren mehr als genug beschnitten worden, betont die Kaufmannschaft der Stadt Münster. "Es scheint um mehr zu gehen als bloße Verwaltungsstrukturreform", vermutet Franz-Josef Görtz. "Warum verunsichert man die Bürger, die sich fragen, warum man bewährte Strukturen in Frage stellt, bevor überhaupt klar ist, wie neue Strukturen aussehen und was sie kosten?"
Die Auflösung des Landschaftsverbandes würde die Arbeit vieler Einrichtungen in dessen Trägerschaft "massiv gefährden", stellt die Ärztekammer Westfalen-Lippe fest. "Die Übertragung auf staatliche Mittelbehörden wäre mit einem nicht zu verantwortenden Personal- und Verwaltungsaufwand verbunden", so Präsident Dr. med. Ingo Flenker. Bei Verteilung der Aufgaben auf Dienstleistungszentren sei mit Mehrkosten von 35 bis 45 Millionen Mark zu rechnen.
Im Europa der Regionen sind nicht zentrale Einrichtungen des Landes zu stärken, sondern in den Regionen tätige Einrichtungen wie die Landschaftsverbände, betonen Dr. Manfred Niclas und Dr. Karl-Heinrich Sümmermann für die Raiffeisen Central-Genossenschaft Nordwest. Sie sind sich sicher, daß der Ministerpräsident "den gesamten Widerstand aller beteiligten Bürgerinnen und Bürger einschließlich Wirtschaftsunternehmen der gesamten Region erleben" wird, wenn er vom Plan zur Auflösung der Landschaftsverbände nicht abrückt.
Der Hotel- und Gaststättenverband Westfalen erinnert in einem Schreiben an Oberbürgermeisterin Tüns an den drohenden Verlust von Arbeitsplätzen und damit auch von Kaufkraft. Wolfgang Deckenbrock und Renate Dölling-Lepper: "Diese Konsequenz würde sich unmittelbar auf unsere Branche auswirken, und zwar im negativen Sinne."
Auf die Sorge um die Zukunft der 1000 Beschäftigten unter dem Dach der Westfälischen Verkehrsgesellschaft (WFG) weist WVG-Direktor Dr.-Ing. Eberhard Christ. Zugleich sieht er das öffentliche Verkehrsangebot in der Region auf Schiene und Straße gefährdet. Der Landschaftsverband sei zu 51 Prozent Gesellschafter der WVG. Es sei kein Zufall, daß Westfalen dank dieser kommunalen Trägerschaft der WVG "besonders in Angelegenheiten des öffentlichen Personennahverkehrs im ländlichen Raum Vorzeigeregion ist". Er sehe keine Signale, "wer das nach Abschaffung der Landschaftsverbände ähnlich erfolgreich leisten sollte".
Aus unmittelbarer Betroffenheit spricht die Jüdische Kultusgemeinde Münster. Sie hat Einblick in die Hauptfürsorgestelle und das Engagement des Landschaftsverbandes für die Ausbildung junger Menschen. Geschäftsführender Vorsitzender Sharon Fehr: "Er hat sich nach unserer Erfahrung bewährt, so daß gewiß keine Notwendigkeit besteht, ein unüberschaubares Chaos im Bereich öffentlicher Dienstleistungen hervorzurufen."
Oberbürgermeisterin Tüns hofft, daß "diese Briefe die Landesregierung nicht unbeeindruckt lassen und die darin vorgetragenen Argumente in der weiteren Diskussion eine gewichtige Rolle spielen".