Im Zentrum der umfassenden Gesamtschau - sie ist in dieser Fülle in der Region zum ersten Mal zu sehen - steht der landwirtschaftliche Strukturwandel und die Rolle, die die Landwirtschaftskammer zwischen 1899 und 1999 dabei spielte. Mit über 150 Exponaten, mit künstlerisch gestalteten Szenen, Texten, Fotografien, Filmbeiträgen bis hin zu detailgetreuen und lebensgroßen Originalobjekten kommt in dieser gemeinsamen Präsentation von Museum und Kammer gleichsam das Land in die Stadt.
"Die Ausstellung zeigt, wie nicht nur die Region, sondern auch die Stadt Münster lange agrarisch geprägt war", so Museumsdirektorin Dr. Barbara Rommé. Zugleich spiegele sich Münsters Bedeutung als "Schreibtisch Westfalens" und besonders die Position der Stadt als Zentrum der regionalen Landwirtschaftsverwaltung wider. "Die Landwirtschaftskammer hat den revolutionären Wandel in Technik, Wirtschaft und sozialem Leben in den 100 Jahren ihres Bestehens begleitet und die Landwirte darin unterstützt mit den auf sie zukommenden Veränderungen umzugehen", betonte Kammer-Präsident Karl Meise. Die Ausstellung lenke nicht nur den Blick auf das Vergangene. Durch die Gegenüberstellung mit dem modernen Wirtschaften erschließe sich die rasante Veränderung auf den westfälisch-lippischen Höfen um so deutlicher.
Fotoessay
Es sind eindrucksvolle Momentaufnahmen, die den Betrachter schon am Treppenaufgang innehalten lassen, ihn auf besondere Weise auf bäuerlichen Alltag einstimmen. In den Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die Fotodesigner Mark Wohlrab 1990/91 von dem Knecht Wilfried R. machte, spiegelt sich der Arbeitsalltag der 50-Stunden-Woche eines Landwirtschaftsgehilfen wider - ernüchternd und anrührend zugleich.
Eintritt durch "Deelentor"
Vorbei an Luftaufnahmen, an denen sich der Strukturwandel in der Landwirtschaft flächenmäßig festhalten läßt, wird der Besucher durch ein "Deelentor" in die von der Historikerin Helene Albers konzipierte Ausstellung geleitet. Hier lassen sich Veränderungen und Wandel, Einschnitte und Wiederbeginn sinnfällig erfahren: Milchwirtschaft - vom Handmelken zum Roboter; Ackern - vom Pferd zum Traktor; Getreideernte - von der Sense zum Mähdrescher; Schweinestall - vom Strohkoben zum High-Tech-Herdenmanagement - die ausgewählten Themen führen in ihren Inszenierungen Veränderungen plastisch vor Augen.
Für die Entwicklung etwa in der Schweinehaltung stehen zwei in Originalgröße aufgebaute Ställe. Auf der einen Seite der rustikale Koben aus Holz, und gleich nebenan ein Segment eines modernen Zuchtschweinestalls - strohlos, vollklimatisiert und elektronikgesteuert. Künstlerisch von dem Designer Yves-Michel Moscato gestaltete Szenen - etwa zum Wandel in der Milchtechnik - lassen den bäuerlichen Arbeitsalltag zum Greifen nah erscheinen. Beim Blick auf alte und heutige Melkgeräte kann das Publikum Vergleiche ziehen zwischen einer früher üblichen Eimermelkanlage und einem High-Tech-Melkstand.
Pionier mit elf PS
Nach einem VW-Käfer - er ist ein Exponat in der ständigen Schausammlung - schaffte jetzt auch ein Traktor unbeschadet den Weg über Dachterrasse und Treppenhaus ins Museum. Der "Elfer Deutz"-Schlepper aus dem Jahr 1949 gilt als Pionier der breiten Motorisierung in der Landwirtschaft, denn auch kleinere Höfe konnten sich diesen elf PS-starken Kleintraktor leisten. Laut Werbeprospekt war er ein Universalgerät, das jede Arbeit auf Hof und Feld übernimmt - "er macht die Arbeit von drei bis vier Pferden". Neben dieser Leihgabe aus einer privaten Oldtimer-Sammlung in Münster-Nienberge ist eine hölzerne Sturzkarre plaziert. Sie war, von einem Pferd gezogen, vor der Technisierung das gängigste Transportmittel in der Landwirtschaft des Münsterlandes.
Im räumlichen Zentrum der Ausstellung steht die Darstellung der wechselvollen Geschichte der 1899 gegründeten Landwirtschaftskammer für die Provinz Westfalen und der 1948/49 neu gegründeten Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe. Hier werden die Kernaufgaben der Kammer - Ausbildung, Beratung, Förderung und angewandte Forschung - an Beispielen aus der Vergangenheit und Gegenwart veranschaulicht.
Kino
Filmbeiträge schildern im Kino des Stadtmuseums den Wandel der Landtechnik in den vergangenen 100 Jahren und zeigen am Beispiel der modernen Schweinehaltung im Münsterland, wie an der Schwelle zum dritten Jahrtausend produziert wird.
Begleitbuch zur Ausstellung
Zur Ausstellung und zum Kammerjubiläum ist ein Begleitbuch (19,80 Mark) erschienen. Autorin Helene Albers zeichnet darin in Wort und Bild auf über 200 Seiten die Geschichte der Landwirtschaft und der Landwirtschaftskammer zwischen 1899 und 1999 nach. "Die stille Revolution auf dem Lande. Landwirtschaft und Landwirtschaftskammer in Westfalen-Lippe 1899-1999". 12. März bis 18. Juli, Ausstellung im Stadtmuseum Münster, Salzstraße 28. Täglich, außer montags, 10 - 18 Uhr, Eintritt frei.