12.01.1999

Eine Kindheit zwischen 1932 und 1945

Martin Walser liest aus seinem Roman "Ein springender Brunnen"

(SMS) Es ist nicht seine vieldebattierte Friedenspreisrede, die zur Einladung nach Münster führte. Martin Walser kommt auf Initiative des Kulturamtes und Literaturvereins am 31. Januar vielmehr als einer der beweglichsten Autoren der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, als großer Erzähler und Sprachvirtuose. Lesen wird er aus "Der springende Brunnen", einem Roman, in dem er zum ersten Mal in seiner langen Schriftstellerlaufbahn weit zurückblendet in die eigene Kindheit, sich auf die Suche macht nach der Vergangenheit.

Zum Friedensjubiläum ´98 hatte die Stadt Münster schon im Spätsommer drei Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels - György Konrád, Karl Dedecius und Martin Walser - gebeten, in der Stadt des Westfälischen Friedens mit ihren Lesungen beizutragen zur Auseinandersetzung mit Krieg und Frieden, Versöhnung und Toleranz. Walser habe mit seiner erzählerischen und essayistischen Kunst, "den Deutschen das eigene Land und der Welt Deutschland erklärt und wieder nahegebracht", heißt es in der Begründung des Friedenspreises. Sein literarisches Werk hat die "deutschen Wirlichkeiten der zweiten Jahrhunderthälfte beschreibend, kommentierend und eingreifend begleitet".

"Ein springender Brunnen", im Sommer vergangenen Jahres bei Suhrkamp erschienen, ist ein autobiographisches Werk. Es ist ein Zeit- und Lebensroman, der von der Genese eines Schriftstellers erzählt: "Von einem, der lernt, sein Leben in die Hand zu nehmen, seinen in Kindertagen gepflanzten Wörterbaum zu pflegen und nur noch sich, ´seinen´ Büchern und ´seiner´ Sprache zu vertrauen". In drei großen Abschnitten beschreibt der Roman eine deutsche Kindheit zwischen 1932 und 1945 im kleinen Örtchen Wasserburg am Bodensee. Als die Handlung einsetzt ist Johann - so heißt Walsers Alter Ego - fünf, am Ende, in den Monaten vor und nach dem Kriegsende, 17 Jahre alt. Der Einstieg ist programmatisch: "Solange etwas ist, ist es nicht das, was es gewesen sein wird. Wenn etwas vorbei ist, ist man nicht mehr der, dem es passierte."

"Ein Meisterwerk", titelte die Presse nach Erscheinen. "Eines der großen Erinnerungs-Bücher unserer Literatur und unseres Jahrhunderts". Wegen der überaus großen Kartennachfrage sind die Veranstalter vom ursprünglich vorgesehenen Rathaus-Festsaal in das Große Haus der Städtischen Bühnen ausgewichen. Die Lesung beginnt dort um 12 Uhr nach der Begrüßung durch Oberbürgermeisterin Marion Tüns. Einige Karten sind noch an den Vorverkaufsstellen der Städtischen Bühnen erhältlich.