02.12.1998

Erinnerung, Forschung und Bildung in der Villa ten Hompel

"Authentischer Schreibtisch-Tatort" der NS-Diktatur / Umbau und Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes

(SMS) Sie ist ein authentischer Schreibtisch-Tatort, von dem aus die Unrechts- und Kriegspolitik des NS-Regimes unterstützt und aktiv vorangetrieben wurde: Die Villa ten Hompel in Münster war von 1939 bis 1944 Sitz des regionalen Befehlshabers der Ordnungspolizei. Von dieser Residenz am Kaiser-Wilhelm-Ring ging die Aufstellung jener Polizei-Bataillone aus, die später maßgeblich an der Ermordung der Juden im Osten beteiligt waren. Nach umfassender Sanierung soll das heute unter Denkmalschutz stehende Gebäude genutzt werden als Stätte des Erinnerns, aber auch für Forschungs- und historisch-politische Bildungsarbeit. Nach einem entsprechenden Baubeschluß in der Dezember-Sitzung des Rates ist der Umbaubeginn für Januar geplant.
Zwei Nutzer werden sich die 1928 gebaute Villa - Namensgeber ist der erste Besitzer, der münstersche Fabrikant und Zentrumsabgeordnete Rudolf ten Hompel - teilen: Dem Stadtarchiv stehen 140 Quadratmeter zur Verfügung, der größere Raumbedarf entfällt mit 800 Quadratmetern auf die Erinnerungsstätte. Nach dem Errichtungsbeschluß des Rates Anfang diesen Jahres entwickelte die Stadt ein erstes Grobkonzept für Sanierung und Umbau und erstellte die Vorentwurfsplanung.
Damalige Schätzung für die Gesamtbaukosten: 2,150 Millionen Mark. "Inzwischen liegen ausführungsreife Detailpläne vor", so Stadtbaurat Gerhard Joksch. "In kurzer Zeit - der Geschäftsführer der Villa ten Hompel ist erst seit wenigen Wochen im Amt - haben wir durch eine intensive Zusammenarbeit die Planung für Umbau und Herrichtung abgeschlossen". Danach belaufen sich die Gesamtbaukosten auf 2,615 Millionen Mark, zuzüglich Ersteinrichtung in Höhe von 484 000 Mark. Mit 70 Prozent fördert das Land sowohl Baukosten als auch den Erwerb der Villa. "Die Bezirksregierung hat schriftlich mitgeteilt, daß sie zuversichtlich sei, noch in diesem Jahr die beantragten Fördermittel in Höhe von 2,370 Mio. zu bewilligen", informierte Joksch. Auch die erhöhten Baukosten (465 000 Mark) werde das Land voraussichtlich bezuschussen, eine mündliche Absichtserklärung der Bezirksregierung liegt der Stadt dazu vor.
Ausstellungen und Vorträge
"Es sind die Eckpfeiler Erinnerung, Forschung und historisch-politische Bildung sowie die multifunktionale Medienausstattung, die dem Lernort ´Villa ten Hompel´ sein Profil geben sollen", betonte Schul- und Kulturdezernentin Helga Boldt. Im Erdgeschoß werden die repräsentativen Räume der ehemaligen Fabrikantenvilla für Ausstellungen genutzt, das Obergeschoß enthält Vortrags- und Seminarräume für die Erinnerungsstätte. Beide Nutzer wiederum teilen sich die Büroräume im Dachgeschoß.
Diese Struktur erfordert neben der Sanierung umfangreiche Umbaumaßnahmen, insbesondere eine Erschließung, die behinderte Menschen nicht von dem Besuch in der Erinnerungsstätte ausschließt. Nach der abschließenden Raumlösung in enger Abstimmung zwischen Hochbauamt und Denkmalbehörde werden Keller-, Erd- und Obergeschoß mit einem behindertengerechten Aufzug verbunden und mit separaten WC-Anlagen für Behinderte ausgestattet. 234 000 Mark beträgt dieser Posten, der in den Mehrkosten bereits enthalten ist.
Technik und Sicherheit
Die Geschichte des Hauses und die geplante Dauerausstellung zur "Geschichte der Polizei im Rheinland und in Westfalen" verlangen nach hohen Sicherheitsstandards. "Auch die datensensiblen Aktenbestände des Stadtarchivs stellen besondere Technikanforderungen, die deutlich über andere städtische Gebäude hinausgehen", betont Stadtbaurat Gerhard Joksch. "Zeitgemäße Technik - Elektro, Beleuchtung, Nachrichtentechnik, Einbruch- und Brandmeldeanlagen - wird veraltete und unzureichende Ausrüstungen ersetzen", ergänzt Architekt Klaus Wilsmann vom Hochbauamt. Für November ´99 ist die erste Ausstellung in der Villa ten Hompel vorgesehen.
Lückenhafte Forschungen
Im Herbst 2000 - so die Zeitplanung - soll im Erdgeschoß der früheren Industriellenvilla die Dauerausstellung zu den Hintergründen der Ordnungspolizei im Wehrkreis VI einschließlich der Vor- und Nachgeschichte dieser Behörde eröffnet werden. "Der Wehrkreis VI war mit etwa zwölf Millionen Einwohnern der größte und bevölkerungsreichste Polizeibereich des damaligen Deutschen Reiches", erläutert Dr. Alfons Kenkmann, Geschäftsführer der Villa ten Hompel. Auch wenn dieses Gebäude im Ostviertel der Stadt nicht Ort konkreter Repression und von Greuel- und Exzeßtaten gewesen sei, "war die Ordnungspolizei erheblich in die Unrechts- und Kriegspolitik des NS-Regimes eingebunden", betont der Historiker. "Vor allem diese mittleren Instanzen brachten der NS-Herrschaft ihre Stabilität". Trotz einer Fülle von Veröffentlichungen zur nationalsozialistischen Herrschaft sei bisher zur Ordnungspolizei kaum geforscht, geschweige denn eine wirkliche Diskussion geführt worden. Weder über die Opfer, noch über die Täter. Auch nicht über die Einzelfälle individueller Verweigerung unter den Polizeibeamten.