Drei Gründe veranlassen Tillmann zu dieser Aussage, die für eine nordrhein-westfälische Großstadt angesichts der landesweit prekären finanziellen Schwierigkeiten eher die Ausnahme bilden dürfte.
Gewerbesteuer boomt
Erstens bleibe die Gewerbesteuer die tragende Stütze der städtischen Finanzpolitik. Für das Haushaltsjahr 2000 erwartet Münsters Finanzverwaltung ein Aufkommen von 450 Mio DM, mit denen annähernd 40 Prozent der laufenden Ausgaben finanziert werden könnten. "Auch im laufenden Jahr 1999 zeichnet sich ab, daß uns die heimische Wirtschaft bei ihren Gewerbesteuerzahlungen nicht enttäuschen wird", so Tillmann vor der Presse. "Damit ist natürlich andererseits auch für die Stadt die Verpflichtung verbunden, diese für die Stadtpolitik so bedeutenden Steuerquellen zu pflegen." Für Münsters Finanzchef kommt es deshalb weiterhin darauf an, "mit einer unternehmensfreundlichen Standortpolitik alles daran zu setzen, das höchst erfreuliche Steuerpotential für Münster zu halten und weiter auszubauen." Denn, so Tillmann: "Dauerhafte Unternehmensgewinne bedeuten nicht nur Finanzkraft für die Erfüllung der städtischen Aufgaben, sondern auch rentable Arbeitsplätze, die es in Münster angesichts der hohen Arbeitslosigkeit vorrangig zu sichern gilt."
Neue Finanzsteuerung bewährt
Als zweiten Grund für die positive Einschätzung der Haushaltsentwicklung führt der Kämmerer den insgesamt wirtschaftlichen Umgang der Verwaltung mit den öffentlichen Mitteln an. "Die neuen Steuerungsinstrumente im Finanzbereich greifen. Die immer weiter verfeinerte sogenannte Budgetierung der knappen Haushaltsmittel und die damit verbundene stärkere Verantwortung der Fachverwaltungen für den effizienten Mitteleinsatz beim Angebot der Dienstleistungen bewirken durchaus nennenswerte Einsparungen im Jahresverlauf und Überschüsse am Jahresende, mit denen die Rücklagen aufgestockt werden können", so der Kämmerer.
In diesen Rücklagen sichert der Finanzchef zur Zeit rund 126 Mio DM. Damit erst gar keine Mißverständnisse entstehen, fügt Tillmann sofort an, daß "nach gegenwärtigem Kenntnis- und Planungsstand über 30 Mio DM davon benötigt werden, um die weiterhin – zumindest in den Jahren 1999 bis 2001 – bestehenden strukturellen Defizite auszugleichen. Ein fast ebenso großer Betrag ist für die Eigenfinanzierung des städtischen Investitionsprogramms vorgesehen. Weitere 50 Mio DM sind bis auf weiteres als Sicherheitsbestand reserviert. Es verbleiben nach Adam Riese nur noch rund 17 Mio DM an Eigenkapital, mit denen wir in den nächsten Jahren zusätzliche Investitionen in Münsters Zukunft tätigen können."
Schuldendeckelung
Der dritte Grund für Zuversicht liegt in der jüngst aktualisierten Vereinbarung der Verwaltungsspitze zur Schuldendeckelung. Bereits im vergangenen Jahr haben sich Rat und Verwaltung darauf verständigt, in jedem Jahr Obergrenzen festzulegen, über die die Netto-Kreditaufnahmen in den jeweils nächsten vier Jahren, dem sogenannten Finanzplanungszeitraum, nicht steigen dürfen. Die 99er-Vereinbarung wurde um nur vier Prozent überschritten. Diese mittelfristigen Schuldendeckel müssen zudem von Jahr zu Jahr niedriger gesetzt werden, damit der Anstieg der städtischen Schuldenberges längerfristig abgeflacht wird.
"Langfristig", so Tillmann, "muß es Rat und Verwaltung sogar gelingen, sämtliche Investitionen aus laufenden Einnahmen zu finanzieren und darüber hinaus den Schuldenberg wieder abzutragen. Daß wir dies den Generationen nach uns schulden, ist in den letzten Monaten in besonderer Weise in der Diskussion um eine Lokale Agenda für Münster verdeutlicht worden."
Zur Zeit ist dieses Ziel allerdings noch Wunsch. "Noch sind die für die Stadtentwicklung notwendigen Investitionsprojekte zahlreich und die Eigenmittel knapp. Deshalb benötigen wir möglicherweise bis zu 220 Mio DM an neuen Krediten in den vier Jahren 2000 bis 2003. Mehr soll es nicht werden. Dies ist die Obergrenze. Wir müssen in Münster mit aller Kraft versuchen, den Kreditbedarf weiter zu senken", so der Kämmerer. "Dies erfordert in Stadthaus und Rathaus viel Disziplin, sich auf das unabdingbar Wichtige zur Stärkung Münsters als Oberzentrum des Münsterlandes in einem Europa des regionalen Wettbewerbs zu konzentrieren und Investitionswünsche zu priorisieren, zu strecken und zu schieben." Nur so ließe sich der unabweisbar notwendige "Turn-around" der Schuldenentwicklung schaffen.
Risiken
Wie immer sind die Haushaltsplanungen nicht ohne Risiken. Bei einem Anteil der Steuereinnahmen an den Gesamteinnahmen von rund 65 Prozent ist die Sorge des Kämmerers keineswegs unbegründet, daß eine schwächere konjunkturelle Entwicklung und die geplanten Steuerreformen auf Bundesebene, die auch die Gewerbesteuer betreffen könnten, Löcher in den städtischen Etat reißen würden. Ganz so dramatisch wie für den neuen Kassenverwalter in Bonn stellt sich die Situation in Münster derzeit allerdings nicht dar. "Wenn uns aber der Bund bei der Gewerbesteuer den Strom abdreht, müssen wir uns warm anziehen", befürchtet Tillmann.
Auch die Liberalisierung im Energiesektor wird den Stadtsäckel spürbar belasten, weil die Stadtwerke künftig weniger Geld an die Stadt überweisen können. Mehrausgaben könnten sich zudem bei den Sozialhilfeausgaben ergeben, die bereits vom laufenden Jahr an aufgrund der steigenden Zahl an Flüchtlingen und Asylbewerbern zu verzeichnen sind, wenn sich die Hoffnung auf eine Entspannung in den Krisenregionen zerschlagen sollte. Diesen Risikoschwerpunkten gilt eine besondere Aufmerksamkeit.
Haushaltsziele
"Zusammengefaßt", so Kämmerer Tillmann, "muß es Rat und Verwaltung bei der anstehenden Aufstellung und der späteren Verabschiedung des Etats 2000 und der Finanzplanung bis 2003 darum gehen, die zwei bedeutendsten finanzpolitischen Ziele zu erreichen, nämlich den Haushaltsausgleich ohne Rückgriff auf den Sparstrumpf ‚Rücklage‘ und die Begrenzung der Schulden auf ein dauerhaft tragbares Niveau."