Bei einem weiteren Zuzug drohten "humanitäre Katastrophen für Hilfesuchende und soziale Spannungen in überbelegten Einrichtungen und deren Nachbarschaft", sagte die Oberbürgermeisterin voraus. Marion Tüns: "Niemand kann die Verantwortung für schwangere Frauen und Familien mit Kleinkindern tragen, wenn schon die menschenwürdige Unterbringung der hier lebenden Flüchtlinge nur noch mit allergrößten Anstrengungen möglich ist."
Die Gründe liegen auf der Hand. Seit Anfang Juni 1998 wurden 744 Flüchtlinge - 420 Kinder, 130 Frauen und 194 Männer - aus Jugoslawien im sogenannten "ungeregelten Verfahren" aufgenommen. Diese Menschen sind direkt nach Münster gekommen, wurden also nicht im landesweit geregelten Verfahren zugewiesen. Die Stadt war verpflichtet, ihnen eine Duldung zu erteilen.
"Alle Ratsfraktionen und die Verwaltung haben sich uneingeschränkt dafür ausgesprochen, den Flüchtlingen aus dem Kosovo humanitäre Hilfe und Zuflucht zu geben. Das war richtig und der Friedensstadt Münster nur angemessen", betonte Oberbürgermeisterin Tüns.
Rat und Verwaltung beließen es nicht bei Worten. Nach Angaben von Sozialdezernentin Helga Bickeböller sorgten sie kurzfristig für zwei zusätzliche Flüchtlings-Übergangseinrichtungen an der Manfred-von-Richthofen-Straße (88 Plätze) und am Drensteinfurtweg (60 Plätze). Für eine weitere Einrichtung (55 Plätze) laufen im Gebäude Friedrich-Ebert-Straße 1 die Umbauarbeiten. Als Soforthilfe für momentan nicht mit Wohnraum versorgte Flüchtlinge wurde jetzt eine Containeranlage (zirka 80 Plätze) bestellt. Sie wird am Parkplatz Robert-Bosch-Straße aufgestellt.
Das Engagement der Stadt und vieler Bürgerinnen und Bürger Münsters wird auch aus einer weiteren Zahl deutlich: Nach dem Zuteilungsschlüssel des Landes hatte Münster seine Aufnahmeverpflichtung von aktuell 2077 Personen seit September 1998 übererfüllt. Erst seit Anfang Juni steht die Stadt wieder im Soll. "Dabei werden die Flüchtlinge nicht berücksichtigt, die wir im ungeregelten Verfahren aufgenommen haben. Würde man sie einberechnen, hätten wir mit mehr als 3000 Flüchtlingen unser Soll um fast 50 Prozent überschritten", verdeutlichte Stadträtin Bickeböller.
Alle 16 Übergangseinrichtungen mit zusammen 1250 Plätzen sind mittlerweile restlos belegt. Flüchtlinge, die in Wohnungen untergebracht wurden, müssen unter teilweise unzumutbaren Bedingungen leben. Die in Kürze neu hinzukommenden Einrichtungen werden dringend benötigt, um diesen Menschen eine akzeptable Unterkunft anbieten zu können.
Im vergangenen Jahr hat Münster für die Versorgung, Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen 22,5 Mio DM aufgewendet. Davon hat das Land NRW 7,9 Mio DM erstattet, der städtische Eigenanteil belief sich auf 14,7 Mio DM. Allein für die 744 Jugoslawien-Flüchtlinge aus dem ungeregelten Verfahren beträgt der nicht bezuschußte städtische Aufwand pro Jahr rund 6,3 Mio DM.
"Ein vergleichbares Engagement dürfte es in kaum einer anderen Kommune dieser Größenordnung geben", betonte Oberbürgermeisterin Tüns. Das gelte ausdrücklich auch für den ehrenamtlichen Einsatz vieler Bürgerinnen und Bürger. Das gilt ebenso für Betreuungsverbände wie die Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender und die Verfahrens-Informationsstelle für Flüchtlinge, die von der Stadt beträchtliche finanzielle Förderung erhalten."
Diese Situation hat die Oberbürgermeisterin dem Bundesinnenminister in einem Schreiben geschildert. Sie hat sich darin nachdrücklich dafür ausgesprochen, jetzt nach dem Ende des Krieges schnellstens die Voraussetzungen zur Rückkehr von Kosovo-Flüchtlingen zu schaffen. Die Rückführung erfolge grundsätzlich auf dem Luftweg, erläuterte Rechtsdezernentin Dr. Agnes Klein. Zur Zeit scheitere sie unter anderem daran, daß der Flugverkehr nach Jugoslawien eingestellt wurde.
Nach Angaben der Rechtsdezernentin läßt die Stadt derzeit durch einen externen Rechtswissenschaftler prüfen, ob sie nach dem Ende des Krieges überhaupt noch zur Aufnahme von Jugoslawien-Flüchtlingen im "ungeregelten Verfahren" verpflichtet ist. Dieses Gutachten soll alle rechtlichen Möglichkeiten im Zusammenhang mit der Aufnahme von Flüchtlingen im "ungeregelten Verfahren" aufzeigen.