(SMS) Vom Schauplatz der NS-Verbrechen zum Ort des Lernens: Im Dezember wird die Villa ten Hompel als Stätte der Erinnerung, Bildung und Forschung eröffnet. Das Haus am Kaiser-Wilhelm-Ring war in seiner wechselvollen Vergangenheit von 1924 bis 1968 zugleich Tatort des Unrechts und Forum der Wiedergutmachung. In einer Serie blenden wir auf die Geschichte der Villa zurück. Heute: 1945 bis 1953 - Sitz der Landesbehörden Westfälisches Kriminalamt und Wasserschutzpolizei "Westdeutsche Kanäle"
"Die Polizei muss wieder aus einem Terrorinstrument des politischen Verbrechertums zu einem Garanten der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und des inneren Friedens gemacht werden." In diesem Punkt waren sich die neu ernannten demokratischen Regierungsbeamten der Provinz Westfalen mit der britischen Militärregierung einig, die einen grundlegenden Neuaufbau der deutschen Polizei anstrebte.
Beim Einrücken der alliierten Truppen im März 1945 war auch in Westfalen der gesamte zivile Behördenapparat und das Polizeiwesen zusammengebrochen. Die Polizeiführer des besiegten NS-Regimes waren unter falschen Namen untergetaucht, einige hatten Selbstmord begangen, andere wurden von den Alliierten aufgespürt.
Die Briten planten eine konsequente Entmilitarisierung und Dezentralisierung der deutschen Polizeiverwaltung nach englischem Vorbild. Die deutsche Polizei sollte auf der Ebene der Regierungsbezirke sowie der Stadt- und Landkreise neu entstehen. Große soziale Probleme und die hohe Kriminalität der unmittelbaren Nachkriegszeit drängten die Briten dabei zu größter Eile. Sie stellten jedem neu ernannten Regierungspräsidenten, Oberbürgermeister und Landrat sogleich einen "Chef der Polizei" zur Seite, der die Polizei in seinem Bezirk, seiner Stadt oder in dem Landkreis wieder aufbauen sollte.
In Münster richten sie eine Abteilung ein, die den Aufbau der Polizei in der Provinz Westfalen von der Regierungsebene aus koordiniert. Anfang Mai 1945 ernennt die britische Militärregierung Friedrich Grützmann zum "Landespolizeipräsidenten". Grützmann ist ein alter erfahrener preußischer Polizeioffizier, der noch in der Weimarer Republik in den Ruhestand getreten und politisch unbelastet ist. Er nimmt seinen Dienstsitz in der ehemaligen Villa ten Hompel. Der Landespolizeipräsident besitzt direkte Befehlsbefugnis gegenüber allen großen Polizeiverwaltungen in der Provinz. Sein Wirkungskreis umfasst alle personellen, materiellen und organisatorischen Angelegenheiten der westfälischen Polizei.
Konkurrenz für den Regierungspräsidenten
Zwischen den Regierungspräsidenten und dem Landespolizeipräsidenten kommt es bald zu Konflikten. Die Regierungspräsidenten betrachten die Landespolizeibehörde als unerwünschte Konkurrenz, die ihre eigenen polizeilichen Zuständigkeiten einschränkt. Zudem betreibt Grützmann in Münster eine eigenständige Machtpolitik. Es gelingt ihm, sich mit Hilfe korrupter britischer Offiziere von der Dienstaufsicht des Oberpräsidenten zu lösen und diesem gleich gestellt zu werden. Die Regierungspräsidenten und Vertreter der neu entstehenden demokratischen Parteien befürchten, dass die Polizei sich unter der direkten Befehlsgewalt des Landespolizeipräsidenten wie im NS-Staat wieder als Sonderbehörde neben der zivilen Verwaltung etabliert. Böse Erinnerungen weckt darüber hinaus der Dienstsitz: Der Landespolizeipräsident residiert in der Villa ten Hompel, dem Standort des früheren Befehlshabers der Ordnungspolizei. Erst mit der Unterstützung des neuen Oberpräsidenten Rudolf Amelunxen setzen sie die eindeutige Unterordnung des Landespolizeipräsidenten unter den Oberpräsidenten bei der Militärregierung durch.
Ab 1946 konzentriert sich die Arbeit des Landespolizeipräsidenten auf den regionalen Neuaufbau der Kriminalpolizei, dessen Zentrum für Westfalen ebenfalls in der Villa ten Hompel ist. Aus ihm entsteht im Frühjahr 1946 das Kriminalpolizeiamt der Provinz Westfalen unter Leitung des bisherigen Landespolizeipräsidenten Friedrich Grützmann.
Das Kriminalpolizeiamt fungiert als zentrale Nachrichtensammel- und –auswertungsstelle sowie als Informationsdienst für die örtlichen Polizeidienststellen bei Kapitalverbrechen von überregionaler Bedeutung. Es gibt zu diesem Zweck ein eigenes Nachrichtenorgan, das "Polizeiliche Meldeblatt für die Region Westfalen" heraus und baut eine Kartei über "reisende Täter", eine "Berufs- und Gewohnheitsverbrecherkartei" sowie eine Fingerabdrucksammlung auf. Ansonsten kämpft es im Dienstalltag mit großen Schwierigkeiten. Es fehlt an Mobiliar und Heizmaterial. Zudem gelingt es in Münster nicht, eine funktionierende kriminaltechnische Abteilung aufzubauen, Laboraufträge müssen an die Universität abgegeben werden. Nach der Gründung der neuen Landesregierung Nordrhein-Westfalen wird das westfälische Kriminalpolizeiamt zum 1. Oktober 1946 aufgelöst und mit dem Kriminalpolizeiamt in Düsseldorf zusammen gelegt.
Kommando "Westdeutsche Kanäle"
Die Villa ten Hompel in Münster bleibt jedoch bis 1953 weiterhin Sitz einer Landespolizeibehörde. Seit 1945 ist dort auch das Kommando der Wasserschutzpolizei-Gruppe "Westdeutsche Kanäle" untergebracht. Der räumliche Zuständigkeitsbereich des westfälischen Kommandos ist gewaltig: Er erstreckt sich nicht nur auf die Wasserstraßen in Westfalen, sondern auch auf jene südlich des Mittellandkanals (Provinz Hannover) sowie des Weser-Elbe-Kanals bis an die Grenze der sowjetischen Zone. Dem Kommando in Münster unterstanden insgesamt 14 Wasserschutzpolizei-Stationen mit ihren Posten.
Fahndung nach Schmuggelgut
In den ersten Jahren nach dem Krieg konnten die Männer ihre Tätigkeit nur zu Fuß und mit dem Fahrrad entlang der Kanäle versehen. Erst nach und nach gibt es für die Patrouille wieder betriebsbereite Boote. Schwerpunkte der Tätigkeit: Fahndung nach Schmuggelgut, die Aufnahme von Unfällen auf dem Wasser, Leichenbergungen, Bergungen von havarierten Schiffen, Meldung und Bergung von Bomben- und Waffenfunden im Wasser sowie die Überwachung des ausgedehnten "wilden" Badebetriebs in den Kanälen - damals wie heute gleichermaßen beliebt.
1947 ging die Verwaltung der Wasserschutzpolizei auf die Regierung des Landes NRW und damit auf den Innenminister über. Die Wasserschutzpolizei-Gruppe "Westdeutsche Kanäle" wurde 1953 mit der Wasserschutzpolizei-Gruppe "Rhein" am neuen Sitz Duisburg vereinigt.