Die gläserne Vitrine auf den Aaseewiesen bildet in den nächsten sechs Wochen den nahezu ungeschützten Rückzugsort für eine Filzpuppe, wie sie häufig die Bildwelt von Alexander Braun bevölkert. Nur eine aufgerollte Matratze und einige Decken bieten der Stoffpuppe in der Kälte eine provisorische Bettstatt. Nach außen ist das Refugium mit blauen Farbspuren markiert. Sie bilden ein leicht transparentes Fließmuster auf den Glasscheiben. In halber Höhe umläuft ein Schriftband die gläsernen Wände. Es sind Worte der Sehnsucht, Melancholie und Zerrissenheit, die der Künstler frühen Gedichtzyklen von T.S. Eliot entliehen hat und nun der kleinen Puppe als inneren Monolog in den Mund legt:
"Denn alle hab ich schon gekannt, die Nächte, Morgen, Nachmittage, ich kenn die Stimmen, sie kommen, gehen, sterben so dahin, der Morgen schlummert so friedlich wie der Abend, von langen Fingern karessiert, schläft alles oder simuliert am Boden räkelnd neben dir und mir, hab ich noch Tee, Gebäck und Eisgetränke, noch Kraft den Augenblick der Krise abzulenken, und werf von Wert gewesen, ich find die richtgen Worte nicht, klar und scharf, ich werde alt, Hosen mit Umschlag trag ich bald, so hör ich die Meermädchen singen, ich sehe sie meerwärts auf den Wellen reiten und kämmen weißes Wellenhaar im Flug. Verdammt."
Vergleichbare Saiten schlägt der Künstler mit einem Video an, das auf einem Monitor gezeigt wird. Es steht der Filzpuppe neben dem Schriftband als zweites Ausdrucksmedium zur Verfügung. Die fünfminütige Filmsequenz eines 50er Jahre Hollywood B-Movies zeigt eine Meerjungfrau, die einen Ertrinkenden in die Arme schließt. Unterlegt ist dieser märchenhafte Ausschnitt mit dem ebenfalls sentiment-erfüllten 40er Jahre Song "The prayer" von der Musikgruppe Inkspot`s.
Alexander Braun verwandelt den Pavillon in einen poetisch aufgeladenen Kunstraum voller Verweise auf dessen Lage inmitten des Landschaftsparks mit Blick auf den Aasee. Er schafft einen Hort der Sehnsucht, der zugleich präzise die konkrete Ausstellungssituation mitreflektiert: Einerseits ein künstlerisches Plädoyer für das Selbstverständnis einer romantischen Kunstauffassung, wie sie aus dem frühen 19. Jahrhundert bis weit in die Moderne reicht. Andererseits ein ironisch hintergründiges Spiel mit den Formen der heutigen Darstellung von Gefühlen. "Mich hindert der Frost nicht" hält auch einen Zerrspiegel vor, dessen Projektion auf all die Widersprüchlichkeiten zwischen Wünschen, Sehnsüchten, Träumen und deren Profanisierungen wie Enttäuschungen verweist, die gerade jetzt im geschäftigen Alltag der Vorweihnachtszeit Hochkonjunktur haben. (bis zum 28. Januar 2001)