"Das Gutachten bestätigt die Güte und Vielfalt der Einzelhandelsversorgung in Münster", so Stadtdirektor Horst Freye bei der Vorstellung vor der Presse. "Mit der Bestandsaufnahme des Einzelhandels und den Befragungsresultaten von Kunden und Kaufleuten bietet es eine Fülle von hilfreichen Informationen". Keineswegs, so machte der Wirtschaftsdezernent deutlich, sei die Untersuchung bereits das städtische Einzelhandelskonzept. Mit ihren Aussagen und Empfehlungen lege sie den fachlichen Grundstein für die gezielte Stärkung und Weiterentwicklung der Innenstadt, der Stadtteile und der Solitärstandorte.
Bedeutung der Altstadt für Einzelhandel
Zum Zeitpunkt der Erhebung gab es in Münster 1993 Einzelhandelsbetriebe mit einer Verkaufsfläche von 521 320 Quadratmetern und einem Umsatz von rund 3,46 Milliarden Mark. Auf den Hauptgeschäftsbereich Altstadt inklusive Bahnhofsbereich entfallen 633 Betriebe. Ihre 135 100 Quadratmeter Verkaufsfläche entsprechen 26 Prozent der Gesamtverkaufsfläche; 1,16 Milliarden Umsatz machen 34 Prozent des Gesamtumsatzes Einzelhandel in Münster aus.
Großflächiger Einzelhandel spielt besondere Rolle
Eine besondere Rolle spielt in Münster der großflächige Einzelhandel. Sein Anteil beträgt rund acht Prozent (156 Betriebe) mit einem Verkaufsflächenanteil von 65 Prozent ( = 336 880 Quadratmeter) und einem Umsatzanteil von 54 Prozent (= 1.878 Millionen Mark). "Damit ist Münster die Stadt der ‚großflächigen Betriebe kleinerer Dimensionierung'", fasst Thomas Klein von der Wirtschaftsförderung die Auswertung des Kölner Markt- und Absatzforschungsinstituts GMA zusammen. Nur bedingt, so die GMA, seien diese Magnetbetriebe mit Synergieeffekten für den kleinstrukturierten Fachhandel jedoch den abgegrenzten Versorgungszentren (Stadt- und Ortsteile) zugeordnet.
Einkaufsstadt Münster reicht weit über Stadtgrenzen hinaus
Die Versorgungsbedeutung Münsters reicht weit über Stadtgrenzen hinaus. Teilbereiche der Kreise Coesfeld, Steinfurt und Warendorf zählen ebenso zum münsterschen Einzugsbereich wie der Norden des Kreises Borken bis Gronau. So hält das Gutachten ausdrücklich fest: "Die oberzentralen Einkaufsverflechtungen mit dem Umland sind als intensiv zu bewerten". Insbesondere das Konsumgüterangebot der Stadt begründe die hohe regionale Ausstrahlung. Im Nahrungs- und Genussmittelbereich würden hingegen durchschnittliche bis leicht unterdurchschnittliche Ausstattungskennziffern vorliegen.
Einzugsbereich mit 1,1 Millionen Kunden
Angebotsvielfalt, Angebotsqualität und eine Innenstadt mit Erlebniswert - mit diesen Prädikaten haben die Kunden das Außenimage des Einkaufsortes Münster versehen. Im Einzugsbereich leben etwa 1,1 Millionen Menschen mit einem Kaufkraftpotenzial von 10,2 Milliarden Mark. Zum Vergleich: In der Stadt Münster beträgt es 2,7 Milliarden Mark. Für das Jahr 2010 wird im Einzugsbereich Münsters ein Kaufkraftvolumen von 10,9 bis 11,1 Milliarden errechnet, für Münster selbst 2,9 Milliarden Mark.
Welche Verkaufsflächen werden in welchen Branchen in den nächsten Jahren benötigt? - dieser Frage geht die GMA in ihrem Entwicklungskonzept nach. Das Kölner Büro prognostiziert bis zum Jahr 2010 einen zusätzlichen Bedarf von 93 000 Quadratmetern. Das ist im Vergleich zur Ausstattung im Jahr 1999 ein Zuwachs von 18 Prozent. (In dieser "dynamischen Variante" unterstellen die Experten im Gegensatz zur "Status-quo-Variante", dass der Einzelhandel seine Marktposition im Einzugsbereich leicht verbessert.) "Dieser Wert umfasst lediglich den Zusatzbedarf an Einzelhandelsfläche", erläutert Thomas Klein, "ohne Auswirkungen auf bestehende Zentren und Strukturen. Dieses moderate Modell verschärft den Wettbewerb zwischen den Standorten nicht". In einer Prioritätenliste sehen die Gutachter bis 2010 Handlungsbedarf mit 28 000 Qudratmetern bei Hausrat/Möbel/Einrichtung (eher großflächige Fachmärkte), gefolgt von Nahrungs-/Genussmitteln (stadtteilbezogen/16 000), Haus-/Gartenbedarf (großflächige Fachmärkte/14 000) und bei Bekleidung/Sport/Schuhe (eher zentren-/innenstadttypisch/10 000).
Idealtypisches Zentrenmodell
Erstmals liegt mit der gutachterlichen Untersuchung ein räumliches Entwicklungsmodell für den Einzelhandel in Münster vor, denn die GMA hat auftragsgemäß die prognostizierte Verkaufsfläche auf das Stadtgebiet und die Standorte verteilt. In der Verteilung dieser Flächen verfolgt das Kölner Büro einen moderaten Kurs: Sein Hauptaugenmerk gilt der Stärkung der bestehenden Strukturen.
Nicht überprüft wurde, ob und und wie sich zusätzliche Einzelhandelsflächen in den Versorgungszentren und Stadtteilen in die Praxis umsetzen lassen. "Unberücksichtigt bleiben auch alle Projekte, die bereits in Entwicklung oder in Planung stehen", stellt Stadtdirektor Horst Freye klar und führt Beispiele wie Stubengasse, Sparkasse Königsstraße, Preußen-Park und Gievenbeck-Südwest an. "Nimmt man diese rund 130 000 Quadratmeter hinzu und vergleicht sie mit den GMA-Prognosewerten, ist der vorhergesagte Bedarf schon weitgehend abgedeckt. Überdies verteile die Untersuchung die 93 000 Quadratmeter in den einzelnen Sortimenten auf der Grundlage eines "idealtypischen Zentrenmodells". Ausgangspunkt ist hier, dass die Innenstadt mit ihrem Haupteinkaufsbereich und die gewachsenen Versorgungszentren in den Stadtteilen mit ihren Angeboten, ihrer Qualität und der städtebaulichen Einbindung unbedingt erhalten werden müssen.
Vom Modell zur Praxis
Die vorgelegten Modellüberlegungen in eine praktikable Standortpolitik umzusetzen sei nächste Aufgabe. "Das Gutachten beantwortet viele Detailfragen, wirft andere aber erneut auf", urteilt Wirtschaftsdezernent Freye. "Empfehlung für Empfehlung, Standort für Standort wird auf Umsetzung in die Praxis geprüft". In nächsten Monaten sei zu klären, welchen Weg die Stadt Münster mit ihrem Einzelhandelskonzept gehen wolle: einen eher moderaten - auch mit Blick auf die Ausweitung von Einzelhandelsflächen - oder den Weg einer offensiven Behauptung als Oberzentrum im Münsterland. Diskussionsauftakt
"Das Hearing am Donnerstag vor einer Fachöffentlichkeit bildet den Auftakt der öffentlichen Diskussion", so Dr. Ingo Deitmer zum Verfahren. Es schließt sich am 19. Februar ein ganztägiger Workshop, später Diskussionen in Fachausschüssen an. "Ziel dieses breit angelegten Prozesses ist es, am Ende tragfähige Leitlinien für das Einzelhandelskonzept zu entwickeln", so der stellvertretende Leiter der Wirtschaftsförderung.