Nach der "Gleichheit" ist "Gewaltfreie Erziehung" dasjenige Recht, das Kinder auch in Münster am zweithäufigsten verletzt sehen. Zu diesem Ergebnis führten die Kinderrechtswahlen 1998/99. Mehr als 7000 Kinder und Jugendliche von acht bis achtzehn Jahren hatten damals auf Initiative von Kinderschutzbund, terre des hommes und Unicef ihr Votum abgegeben.
Die 1256 Jungen und Mädchen (17,6 Prozent), die den Erwachsenen Defizite in der Erziehung bestätigten, dachten dabei gewiss weniger an sensationelle, filmreife Prügelorgien. Vermutlich erinnerten sie sich an Situationen, in denen überforderten Eltern zum Beispiel "die Hand ausrutschte" oder in denen Eltern mit physischer Gewalt oder mit deren Androhung "Grenzen setzten". "Trottel, Niete, Versager" - auch Worte können schlagen, die Kinder als Opfer wissen das am besten.
"Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig", heißt es seit November 2000 im Bürgerlichen Gesetzbuch. Wenn das im familiären Miteinander überall zur Selbstverständlichkeit werden soll, dann muss Eltern auch geholfen werden, Spannungen, Krisen und Konflikte zu meistern. Der Alltag ist der Ernstfall. Sei es nachts um halb drei, wenn Dauer-Kindergeschrei für übermüdete Eltern zur harten Probe wird. Sei es mittags um halb drei, wenn die Hausaufgaben zum Familiendrama eskalieren.
Unterhaltsamen Anschauungsunterricht zum Thema können Kinder ab sechs Jahren plus Eltern bei fünf Aufführungen des Theaterstückes "Schönes Wochenende" genießen. Die Truppe vom Theaterpädagogischen Zentrum Köln behandelt darin "kleine familiäre Gewalttätigkeiten und ihre großen Folgen" - frei von schulmeisterlicher Belehrung und Bekehrung, dafür mit viel Witz und Originalität. Die ersten beiden Aufführungen sind bereits von Schulen ausgebucht. Unter drei Terminen können junge Familien noch zur Verschönerung des Wochenendes wählen: am Samstag, 24. März, 15 und 17 Uhr in der Waldorfschule in Gievenbeck; am Sonntag, 25. März, um 15 Uhr in der Ludgerusschule Hiltrup (Eintritt frei).
Im Mai wird der Ratgeber zur gewaltfreien Erziehung mit praxistauglichen Tipps und einem Verzeichnis der münsterschen Beratungsstellen vorliegen. Arbeitstitel: "Wer wird denn gleich in die Luft gehen. Infos und Ideen zur konfliktarmen Erziehung". Das Heft erscheint in einer Startauflage von 10 000 Exemplaren. Alle Eltern, die die Elternbriefe des Jugendamtes erhalten, bekommen es vom Jugendamt per Post frei Haus.
An die Fachöffentlichkeit und alle pädagogisch Interessierten richtet sich eine Podiumsdiskussion am Donnerstag, 15. März, um 20 Uhr im Paul-Gerhardt-Haus an der Friedrichstraße. "Wie erziehe ich mein Kind gewaltfrei?" - darüber diskutieren auf dem Podium: Anna Pohl (Jugendamtsleiterin), Cäcilia Rempe (Kinderschutzbund), Lothar Dunkel (Schulpsychologische Beratungsstelle), Irmgard Köster-Gorkotte (Erziehungsberatungsstelle Südviertel), Norbert Weitz (Familienrichter) und Carmen Paulsmeyer (Ausschuss für Kinder, Jugendliche und Familien). Ein einführendes Referat hält Prof. J. Schimke, Vorstandsmitglied des Landesverbandes NRW im Kinderschutzbund.