"Unsere Heimat haben wir verloren, wir sind Verfolgte in unserem Land, verantwortlich gemacht für das Leid der Albaner." Mehmets Blick schweift über die kleine Kochzeile hinweg durch das Fenster, grau in grau der Himmel, genau so wie er seine Zukunft beschreibt.
Mehmets Frau Sabina serviert Tee, schwarz und stark. Die Schatten ihrer Augen zeigen noch die Anstrengungen der Flucht. "Hier sind die Kinder sicher. Vielleicht werden sie einmal heimisch in einem Land, in dem es sich zu leben lohnt", sagt sie. "Hier geht es uns gut. Wir haben ein warmes Zimmer und etwas zu essen, andere Familien mit Kindern wohnen nebenan."
Mehr als 100 000 Roma wurden seit Juni 1999 aus dem Kosovo vertrieben. Über Auffanglager in Serbien, Mazedonien und Montenegro wurden sie von zweifelhaften Schlepperorganisationen nach Europa geschleust. "Es sind nicht einzelne Häuser der Roma, es sind ganze Straßenzüge, Viertel, Stadtteile, die geplündert und zerstört wurden", erläutert Raoul Termath vom Sozialamt der Stadt. Allein in Pristina seien es 1160 Häuser, in Pec 1520. Insgesamt fielen der Zerstörung rund 15000 Häuser zum Opfer, dokumentieren Erhebungen über die systematische Vertreibung der Roma.
"Die Menschen, die den Weg nach Münster finden, haben meist Verwandte, ehemalige Nachbarn oder Freunde in unserer Stadt", so der Mitarbeiter des Sozialamtes. Wie in anderen Großstädten werden die Familien zunächst in Flüchtlingseinrichtungen untergebracht. "Ein Dach über dem Kopf, eine Kochnische, Essen, Kleidung, mehr ist nicht drin", schildert er die Lebensbedingungen, die Flüchtlinge in Münster erwarten. Das Konzept für deren Unterbringung stammt aus den 60-er Jahren, als politisch Verfolgte innerhalb weniger Wochen anerkannt oder abgelehnt wurden.
Seitdem haben sich die Rahmenbedingungen grundlegend geändert. Raoul Termath: "Volksgruppen aus verschiedenen Ländern, die auch in Münster leben, werden in den Herkunftsländern teilweise über Jahrzehnte systematisch verfolgt. Viele Menschen verlieren ihre Heimat auf Dauer."
Das war auch in Münster ein Grund zum Umdenken in der Flüchtlingspolitik. Das neue, im Rat über Parteigrenzen hinweg getragene Konzept zur Integration und Unterbringung von Flüchtlingen zieht daraus die Konsequenzen. Unter anderem legt es fest, als Ersatz für entfallende Unterkünfte kleine, über die Stadtteile verteilte Einrichtungen zu schaffen, als eine der wesentlichen Voraussetzungen für eine tragfähige Integration.