Ausstellungstitel: "Im Auftrag. Polizei, Verwaltung und Verantwortung". Ausstellungort: Die Villa ten Hompel, ein authentischer Schreibtischtatort. 1940 bis 1944 war die ehemalige Fabrikantenresidenz Schaltzentrale der NS-Ordnungspolizei für Rheinland und Westfalen. Seit 1999 unterhält die Stadt Münster dort einen Geschichtsort - eine Stätte des Erinnerns, des Forschens und der historisch-politischen Bildungsarbeit.
Bundesweit einmalig
Bundesweit einmalig ist der Ansatz der Dauerpräsentation: Sie zeichnet die Entwicklung des neuen Leitbildes der Polizei als "Freund und Beschützer" in der Weimarer Republik nach, den Missbrauch dieser Idee im Nationalsozialismus durch die Propagandaparole "Die Polizei - dein Freund, dein Helfer" und den Umgang mit der belasteten Vergangenheit im Spannungsfeld zwischen Leugnen und Wiedergutmachung. "Es gibt in der Bundesrepublik kein vergleichbares Projekt, durch das ordnungspolizeiliches Handeln und seine Nachwirkungen auf die Entwicklung der Polizei nach 1945 erforscht, geschichtsdidaktisch gezeigt und pädagogisch vermittelt wird", betont Münsters Schul- und Kulturdezernentin Helga Boldt.
Ausstellungsbesuch wird in Polizeiausbildung aufgenommen
Die Präsentation ist für ein breites Publikum geplant und setzt kein fachhistorisch differenziertes Fachwissen voraus. "Sie ist multimedial konzipiert und will Interessierte informieren, überraschen, engagieren und letztlich herausfordern", so Dr. Alfons Kenkmann, Leiter der Villa ten Hompel. Der Gang durch die fünf Abteilungen biete die Basis für weitere Auseinandersetzung, Konfrontation und Forschung in der Bildungsetage des Geschichtsortes. "Mit der Präsentation möchten wir erreichen, das Polizei exemplarisch als Teil unserer Gesellschaft gesehen wird. Als Gradmeser für den Stellenwert von Freiheit, Toleranz und Demokratie". Durch eine enge Zusammenarbeit mit Polizeibehörden und anderen Verwaltungen soll ein Besuch der Dauerausstellung künftig in deren Aus- und Fortbildungen integriert werden.
Moderne Nachrichtentechnik im NS-Regime
Telefon, Fernschreiber, Radio - Ausstellungsbesucher sehen beim Rundgang zunächst Beispiele für das gut funktionierende Kommunikationsnetz des NS-Regimes nach innen wie außen. Auch der Befehlshaber der Ordnungspolizei war bestens ausgestattet und für Anweisungen verfügbar - die Fernvermittlungsanlage verband Berlin - Münster - Berlin direkt.
Reichsparteitag 1937: "Heil Polizei"
Vertrautes signalisieren bunte Werbeplakate und zahlreiche Objekte im zweiten Abschnitt. Hier trifft man auf den guten Schupo, die Polizei als Freund und Helfer, so wie Beamte in den Jahren 1920 bis 1970 alltäglich in Erscheinung traten. Nahezu unmerklich baut sich in dem beruhigenden Erscheinungsbild indes ein erster Spannungsbogen zum nahenden Bruch in der Polizeigeschichte auf. Es deutet sich die Trennung in Ordnungspolizei und Sicherheitspolizei (mit der Abteilung Gestapo) an. "Heil Polizei" grüßt Hitler seine "neue", gleichgeschaltete Polizei auf dem Reichsparteitag 1937.
"Grüne Polizei im braunen Staat"
Der "Befehlshaber der Ordnungspolizei" (BdO) ist eine neue Organisationsform der Polizei speziell für den Krieg. "Grüne Polizei im braunen Staat" ist der Abschnitt in Münster überschrieben, der den Missbrauch durch das NS-Regime sinnfällig darstellt. Am Schreibtisch des Befehlshabers Dr. Heinrich Lankenau in der Villa ten Hompel gingen die Weisungen ein, von seinem Schreibtisch gingen die Anordnungen weiter. Die metallene Handkette erinnert an die Amtshilfe der Polizei für die Gestapo bei Verhaftungen; die originale Liste aus dem Tresor des BdO vom 1. November 1942 - Bataillonsaufstellung für die besetzten Gebiete Europas - ist ein Schlüsseldokument für die Beteilung am Weltanschauungskrieg. Bewusst haben die Ausstellungsmacher Alfons Kenkmann, Martin Hölzl und Christoph Spieker auf die Inszenierung einer "antiken Bürostube" verzichtet. Zweckmöbel, so wie sie heute noch ihren Dienst leisten könnten, stehen für die Mitverantwortung einer typischen Mittelbehörde an Unrechtstaten.
"Kontrollieren, Umsiedeln, Säubern"
Der Genozid war nur durch eine Form der Arbeitsteiligkeit zwischen Wehrmacht, Polizei, Verwaltung und andereren Instanzen möglich. Unter dem Titel "Kontrollieren, Umsiedeln, Säubern" führt die Ausstellung vor Augen, in welchem Maß Polizisten an Grausamkeiten, Greuel und Hinrichtungen hinter der Front einbezogen waren. Der BdO sorgt für Personal und schickt Zehntausende von Polizisten in die besetzten Gebiete Europas. Sie übernehmen Kontrollaufgaben bei Zwangsarbeitern im "heimischen" Wehrkreis VI. Sie begleiten Juden in die Deportation, sind an Massenvertreibungen und an Erschießungskommandos beteiligt.
In einer informationsreichen Kombination von Dokumenten, Fotografien, Landkarten, Daten via Bildschirm gibt die Ausstellung hier eine Fülle von Nachrichten über die Täter. Behutsam und stumm folgt der Übergang zu den Opfern. In einem abgetrennten Bereich durchläuft nur ein winziger Lichtspalt das schwere Dunkel. Vernehmbar ist allein ein Klang, der an einen fahrenden Zug erinnert ...
"Vergangenheit und Verantwortung"
Trotz intensiver Ermittlungen der Staatsanwälte führten Tausende von Vernehmungen und zahlreiche Verfahren nach dem Zweiten Weltkrieg nur zu einer Handvoll Verurteilungen. Heute sind diese Ermittlungs- und Prozessakten dank ausgefeilter hermeneutischer Verfahren Grundlagenquellen für die Erforschung des nationalsozialistischen Völkermordes, erläutern die Mit-Ausstellungsmacher Hölzl und Spieker.
Die aus heutiger Sicht unbefriedigende Verfolgung der Taten hatte Gründe. Richter, Staatsanwälte und Kriminalbeamte mussten die Namen hunderter Beteiligter ermitteln und Beweise aus den Archiven beschaffen. Bis alle Beschuldigten vernommen waren, konnten Jahre vergehen. Es gab außer den beteiligten Polizisten wenig Zeugen; die Massenmorde hatte kaum jemand überlebt. Ohne Unterstützung von polizeiinterner Seite war das Dickicht von Zuständigkeiten und Einheitsbezeichnungen nur schwer zu durchschauen. "Vergangenheit und Verantwortung" heißt das letzte Kapitel in der Ausstellung in der Villa ten Hompel. Ein Stahltürschrank symbolisiert die Arbeit der Justiz, auf einem Schreibtisch liegt ein Urteil. Ein Zeitungsartikel berichtet über die Selbsttötung eines Beamten vor der Anklage. Und da sind die originalen Karteikästen. Als Zeichen für die Anträge der Opfer auf Wiedergutmachung. Über 12 000 Personen stellten ihren Antrag in der Villa ten Hompel - an den einstigen Schreibtischen der Polizei saßen nun, von 1953 bis 1968, die Mitarbeiter des Dezernates der Bezirksregierung Münster für Wiedergutmachung für politisch, rassisch und religiös Verfolgte.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Klartext-Verlag, Essen (372 Seiten, 38,90 Mark).
Geschichtsort Villa ten Hompel, Kaiser-Wilhelm Ring 28 in Münster, Öffnungszeiten: Mittwoch 18 - 22 Uhr, Donnerstag/Freitag 12 - 16 Uhr, Sonntag 12 - 18 Uhr.