Im 19. Jahrhundert gab moralische Hindernisse, die jeden Gedanken an die Benutzung dieses neuen Sportgerätes durch Frauen äußerst verwerflich erscheinen ließen. Frauen, die des Radfahrens mächtig wären, wären auch in der Lage, sich selbstständig und frei von angemessener Begleitung auf den Weg zu machen. Ganz abgesehen von der notwendigen fahrradtauglichen Bekleidung, die gar den Blick auf die weibliche Fessel erlaubt hätte. Die ersten Radfahrerinnen in der Öffentlichkeit glichen Revolutionärinnen.
So scheint es nicht verwunderlich, dass mit der in Schwung kommenden Frauenbewegung in den 1890er Jahren das Frauenradfahren auch unter dem Aspekt der Emanzipation gesehen wurde und in diesem Jahrzehnt die Zahl der Radfahrerinnen zunahm; auch wenn es ein Stadt-Land-Gefälle in der Akzeptanz des Rades gab und die Jugend dem Radfahren aufgeschlossener gegenüberstand als die ältere Generation. Außerdem blieb das Velo zunächst ein Hobby der Begüterten, das seinen Reiz verlor, als auch die unteren Schichten in der Lage waren, sich dieses Vehikel zu leisten.
Die ersten Radfahrerinnen wurden nicht nur bestaunt, sondern häufig auch mit Schimpfwörtern oder wirklichen Schmutzklumpen beworfen. Ein Grund, warum viele Radlerinnen sich verkleideten. In München sollen Frauen in den frühen 80er Jahren in Männerkleidung Hochrad gefahren sein. Prominente Frauen auf dem Rad halfen aber in den 1890er Jahren für das Frauenradfahren zu werben. Die Schauspielerin Sarah Bernardt oder die Schriftstellerin Colette gehörten zu den ersten Radfahrerinnen und trugen so zur Popularisierung dieses Sportes auch für Frauen bei. In bürgerlichen Kreisen konnte allerdings dieses Vorbild einer Schauspielerin moralisch bedenkliche Assoziationen auslösen. Es wurde davor gewarnt, wie die "demi monde" zu radeln.
Vor diesem Hintergrund ist es überraschend, dass bei ersten Radrennen auch Frauen teilnahmen, so etwa beim ersten Straßenrennen Paris-Rouen 1869. Das erste Damenrennen in Deutschland hat 1893 auf der Sommer- und Freiluftbahn in Berlin-Halensee stattgefunden. Auch der ab 1909 stattfindende Giro d’Italia kann in seiner Geschichte auf die Teilnahme einer Frau verweisen, allerdings erst in den "modernen" 1920er Jahren. Im Jahr 1925 ging Alfonsina Strada auf Einladung des Chefs der "Gazzetta dello Sport" mit der Nummer 72 an den Start. Auch wenn es ihr nicht gelang, das vorgegebene Zeitlimit einzuhalten, beendete sie dennoch den Giro und wurde am Ziel in Mailand vom Publikum frenetisch gefeiert.
Auch wenn das Radfahren von Frauen um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert akzeptiert wurde, blieben die Aktivitäten von weiblichen Mitgliedern der Radsportvereine – wenn sie denn ordentliche Mitlgieder sein durften – auf den dekorativen und anmutigen Bereich des Radsports beschränkt. Während von Radrennen für Frauen in Deutschland Abstand genommen wurde, wurden der Korso und das Reigenfahren als angemessen und schicklich bewertet.
Bei diesen Festzügen auf Fahrrädern oder der Vorführung von Fahrübungen waren die weiblichen Eigenschaften Disziplin und Geduld gefragt. Die Räder wurden zusätzlich mit Blumen geschmückt und am Ende war alles hübsch anzusehen.