"Ich will nur dasitzen und zuhören, zusehen und beobachten." Mit dieser Voreinstellung besucht der Schriftsteller Horst Krüger den ersten Frankfurter Auschwitzprozess, dem er ab dem 20. Verhandlungstag am 27. Februar 1964 beiwohnt.
In einer Prozess-Reportage berichtet Krüger dann jedoch schon wenig später, wie er seine geplante Distanz schnell verliert, wie sich seine Eindrücke beim Gerichtsverfahren mit prägnanten, aufstörenden Momenten der eigenen Vergangenheit in Träumen und Erinnerungsschüben vermengen.
Der Prozessbeobachter Krüger hatte unter den angeklagten Männern Sadisten und gescheiterte Existenzen erwartet. Erschüttert musste er dann im Gerichtssaal feststellen, dass die Mörder aus Auschwitz "angenehme und korrekte Beamte waren", die ganz und gar nicht vom schlechten Gewissen und Alpträumen geplagt waren. Krüger bemerkte den grundlegenden Unterschied zwischen den anwesenden Opfern und Tätern. "Tater und Opfer haben beide überlebt. ... Die einen wollen vergessen, aber können es nicht. Die anderen sollten sich erinnern, aber sie können es nicht. Sie haben alles vergessen."
Seine Beobachtungen aus dem Jahr 1964 finden heute ihre bemerkenswerte Parallele bei den Verhandlungen über die Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien, die derzeit vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag geführt werden.