"Auch 20 Jahre nach den ersten Medienberichten über das Auftreten von Aids gibt es noch immer große Wissenslücken und Vorbehalte im Umgang mit den Infizierten", sagt Ralf Bolhaar, Sozialarbeiter der Aids-Hilfe Münster.
Obwohl das Infektionsrisiko mit HIV bei richtigem Schutz sehr gering ist, existieren selbst in Fachkreisen bis heute irrationale Ängste vor einer Ansteckung. So fällt es nach Aussage der Aids-Hilfe selbst Ärzten noch schwer, HIV-infizierte Menschen genauso wie andere Patienten zu behandeln. Bei einer anonymen Umfrage der Aids-Hilfe Münster unter Zahnärzten im Jahr 2001, lehnte fast ein Drittel der Ärzte eine Behandlung von HIV-positiven Patienten ab.
Aber auch im Liebes- und Beziehungsleben haben Menschen mit HIV vielfältige Probleme. Obwohl es gute Möglichkeiten gibt sich vor einer Ansteckung zu schützen, verlieren viele Menschen ihren Partner, nachdem sie ein positives Testergebnis erhalten. Noch schwieriger ist es für die Betroffenen, einen neuen Partner kennen zu lernen. Mit dem Stigma "HIV-infiziert" endet die Beziehung oft, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat, berichtet Ulrich Besting, Psychologe der Aids-Hilfe Münster. Selbst im Familienkreis komme es bis heute zu überängstlichen Reaktionen oder Anfeindungen. Das könne so weit gehen, dass nach dem Besuch des HIV-positiven Sohnes die gesamte Wohnung desinfiziert werde.
Oft führt das Stigma "HIV-positiv" auch zu Schwierigkeiten am Arbeitsplatz. Durch häufigere Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte geraten Aidskranke in ihrem Betrieb schneller unter Druck und gelten dann als wenig belastbar. Nach einer Kündigung haben die Betreffenden kaum eine Chance, eine neue Stelle zu finden. Für nicht wenige Infizierte bedeutet das ein Leben an der Armutsgrenze mit allen negativen Folgen für das soziale Zusammenleben.
"Wenn Menschen zu einer Randgruppe gehören, ist die Angst vor einem zusätzlichen Stigma besonders groß", sagt Hiltrud Noll, Mitarbeiterin der Aids-Beratung im Gesundheitsamt. Das gelte insbesondere auch für die Gruppe der Migranten. "Hier sind Fremdsprachenkenntnisse und interkulturelle Kompetenz auf Seiten der Helfer gefragt, um die notwendige Grundlagen für Aufklärung und Behandlung von Aids zu schaffen", stellt Noll fest.
Lebendige Aufklärung und offene Gespräche über das Thema Aids sollen auch anlässlich des Welt-Aids-Tags in Münster eine wichtige Rolle spielen. Mit einer Mischung aus Fachdiskussionen, Kino, Theater und Konzertveranstaltungen soll das Thema Aids den Münsteranern rund um den Welt-Aids-Tag nahe gebracht werden.
Dazu gehören Aktionen und Infostände am Samstag, 30. November, in der Innenstadt und am Hauptbahnhof und eine "Soli-Party" im "Club Glorian" (Hörsterstraße 10, 21 Uhr) am selben Tag. Am Sonntag, 1. Dezember, geben die Städtischen Bühnen eine Sondervorstellung von "Hamlet" (19 Uhr), und das Improtheater mit "Horst Ultra" spielt im Hüfferstift "Aufgeklärt??" (20 Uhr). Ab dem 2. Dezember lädt die Aids-Hilfe zu ihrem Weihnachtsmarkt ein (Schaumburgstraße 11). Ebenfalls am 2. Dezember diskutieren Fachleute aus Wissenschaft, Praxis und Entwicklungspolitik in der KSG über "Aids - die soziale Katastrophe?!" (Frauenstraße, 20 Uhr). - Das genaue Programm zum Welt-Aids-Tag steht auch im Stadtnetz publikom unter "www.muenster.de".