Da keine Gefahr besteht, würde eine vorsorgliche Impfung "zum jetzigen Zeitpunkt keinen Sinn ergeben und wäre im Übrigen gar nicht möglich", so der stellvertretende Gesundheitsamt-Leiter Dr. Joachim Alexewicz. Die Zulassung für den Impfstoff ist 1991 abgelaufen, sie müsste erst wieder erneuert werden. "Außerdem ist die Impfung mit Nebenwirkungen verbunden, weshalb sie unter anderem auch für kranke und immungeschwächte Menschen nicht in Frage kommt", so der Mediziner.
Stattdessen legt der Vorsorgeplan Strukturen fest, "die in einem Katastrophenfall auch bei anderen anstecken Krankheiten, die seuchenhaft verlaufen können, von Nutzen wären", so Gesundheitsdezernentin Dr. Klein. Schon deshalb sei er sinnvoll, - zumal in ganz Deutschland die Vorbeugung gegen hochansteckende Krankheiten in den zurückliegenden Jahrzehnten eher stiefmütterlich gehandhabt worden sei.
In Münster tritt in Fragen des Katastrophenschutzes der so genannte "Stab für außergewöhnliche Ereignisse" in Aktion. In dieser Arbeitsgruppe wirken die jeweils betroffenen Ämter der Verwaltung, Hilfsorganisationen und Polizei zusammen. Anlässe waren in der Vergangenheit zum Beispiel die Frage eines möglichen Computer-Gaus zum Jahrtausendwechsel oder Vorkehrungen gegen Rinderwahn.
Im Gegensatz zu diesen Anlässen gibt es beim Stichwort "Pocken" zwar keine aktuelle Gefährdung. "Wer den Katastrophenschutz ernst nimmt, muss aber auch für den unwahrscheinlichsten Fall der Fälle Vorsorge treffen", stellt der für die Feuerwehr und Katastrophenschutz zuständige Beigeordnete Gerhard Joksch fest.
Der Vorsorgeplan des Landes sieht mehrere Stufen vor. Sollte irgendwo auf der Welt ein Fall von Pocken auftreten, dann werden auch in Münster an einer oder zwei zentralen Impfstellen einzelne Berufsgruppen wie etwa Mediziner oder Feuerwehrleute vorsorglich geimpft. Die Vorgaben zur Einrichtung und Ausstattung solcher Impfstellen erarbeitet eine Arbeitsgruppe beim Gesundheitsministerium. Darin ist das Gesundheitsamt der Stadt Münster vertreten. Den Impfstoff würde gegebenenfalls das Land zur Verfügung stellen. Um ihn zu lagern, genügt eine einzige Tiefkühltruhe.
Die nächste Stufe unterstellt den unwahrscheinlichen Fall, dass irgendwo in Deutschland jemand an Pocken erkrankt. Dann würden auch in Münster so viele Impfstellen eingerichtet, dass alle Einwohner innerhalb von fünf Tagen einen Impfschutz erhalten können. An jeder dieser Stellen - dafür kämen etwa Turn- und Sporthallen in Frage - könnten täglich rund 5000 Impfungen vorgenommen werden.
Dank der Universität mit ihrem Institut für Medizinische Mikrobiologie gehört Münster übrigens zu den wenigen Orten in der Bundesrepublik, an denen nach wie vor ein hohes Maß an Fachwissen über Pocken vorhanden ist. In einem Zweifelsfall könnte das Institut schon heute innerhalb weniger Stunden Klarheit schaffen und gegebenenfalls Entwarnung geben.