"Der Konflikt existiert an Stellen, wo viele Menschen auf engem Raum zusammen leben, seit vielen Jahren und ist uns auch schon lange bekannt", unterstreicht Gerhard Joksch, als Dezernent unter anderem zuständig für die Abfallwirtschaft. "Es hat in den vergangenen Jahren ja bereits eine ganze Zahl von Pilotprojekten und Versuchen gegeben, bei denen die AWM sich bemüht haben, die extrem großen Müllmengen von großen Wohnanlagen in den Griff zu bekommen, etwa in der Nordwestschleife in Kinderhaus oder in Coerde, wo die AWM über lange Zeit intensiv beraten und die Mieterinnen und Mieter im Umgang mit Müll geschult haben. Leider ohne dauerhaften Erfolg."
"Allerdings", so Joksch, "können die Großwohnanlagen nicht über einen Kamm geschoren werden. Da gibt es erhebliche Unterschiede: Das Restmüllaufkommen schwankt dort von 20 Litern bis über 80 Liter pro Einwohner und Woche. Viele große Wohnanlagen sind abfallwirtschaftlich genauso unproblematisch wie die Sentruper Höhe."
Die Gemengelage der Ursachen macht eine Lösung kompliziert: Zum einen nimmt die Bereitschaft zur Abfalltrennung bekanntermaßen ab, wenn viele in einige Großbehälter entsorgen und sich dabei einige wenige nicht an die Regeln halten. "Wir können unmöglich vor einem großen Wohnblock mit bis zu 500 Bewohnern für jeden Haushalt eine separate Bio- und Restmülltonne à 35 Liter aufstellen, um größere Gebührengerechtigkeit herzustellen", antwortet AWM-Werkleiter Patrick Hasenkamp auf in der Vergangenheit geäußerte Ansprüche. "Wo sollten die hin?" Auch technische Lösungen wie Müllschleusen, die dem mutmaßlichen Mülltourismus ein Ende bereiten sollten, brachten in der Vergangenheit nicht den gewünschten Erfolg. Seit einiger Zeit bieten die AWM Hauseigentümern so genannte Schwerkraftschlösser an, von denen sie sich zumindest eine Vorsorge gegen die Fremdnutzung von Müllbehältern versprechen.
Zum anderen wird es problematisch, wenn in den Nebenkostenabrechnungen Entsorgungskosten nach Quadratmetern umgelegt werden, obwohl vielköpfige Familien größere Mengen Müll erzeugen, aber vielleicht nur unwesentlich größere Wohnungen belegen als Paare oder allein lebende Mieter. "An diesem Punkt kommen wir nur weiter, wenn die örtliche Wohnungswirtschaft mit uns an einem Strang zieht", so Hasenkamp.
Hier setzt daher der Maßnahmenkatalog an, den die Verwaltung und die AWM erarbeitet haben: In Zusammenarbeit mit den Wohnungsgesellschaften wollen die AWM in einem Modellversuch mit ausgewählten "Großwohnanlagen" herausfinden, ob sich durch intensive Beratung und Betreuung sowie geänderte Abrechnungsverfahren die Müllgebühren für die einzelnen Mieter wirkungsvoll vermindern lassen.
Ein externes Gutachten, erstellt vom INFA-Institut des renommierten Professors Bernhard Gallenkemper, soll parallel dazu technische wie auch gebührenstrukturelle Neuerungen bringen, die die Gebührenzahler entlasten können. Ein Arbeitskreis aus Politikern und Verwaltungsfachleuten könnte, so empfiehlt die Vorlage weiterhin, die Bewältigung der Aufgaben begleiten. "Wir hoffen, dass wir die Vorschläge im Zusammenwirken mit den Wohnungsgesellschaften ab dem zweiten Halbjahr umsetzen können", verdeutlicht Hasenkamp seine Bemühungen.
Mitte Dezember vergangenen Jahres hatte der Rat die Abfallgebühren 2003 beschlossen und der Verwaltung gleichzeitig "Hausaufgaben" aufgegeben, um den Gebührenanstieg möglicherweise abzufangen. Mit der vorliegenden Beschlussvorlage ist klar, wie dieser Auftrag erledigt werden kann. Schon vorher hatten die AWM sich nach eingehender Prüfung gegen eine 14-tägliche Abfuhr der Biotonne mit gleichzeitiger Einführung von Biofilterdeckeln ausgesprochen und auch von der Einschränkung des umfangreichen Service der AWM abgeraten. Argument: Zu große Qualitätseinbußen für die Bürgerinnen und Bürger bei gleichzeitig zu erreichenden Kosteneinsparungen von lediglich 0,6 Prozent bzw. 1 Prozent.
Den größten Anteil am aktuellen Gebührensprung hat die Abfallablagerungsverordnung des Bundes. Dem Gesetz zufolge darf kein unvorbehandelter Restmüll mehr auf der Deponie abgelagert werden. Um diese Vorgabe zu erfüllen, hatte die Stadt sich bereits 1994 entschlossen, eine mechanisch-biologische Restmüllbehandlungsanlage bauen zu lassen. Der mechanische Teil der Anlage wurde Anfang 2003 von der Firma Rethmann im Auftrag der Stadt in Betrieb genommen und verursacht allein 47 Prozent der 60-prozentigen Gebührensteigerung.