Stadtkämmerin Bickeböller wies darauf hin, dass sie für die Jahre ab 2005 bislang keine ausgeglichene Finanzplanung vorlegen könne. Auch der Haushalt des kommenden Jahres könne im Moment nur nach dem "Prinzip Hoffnung" ausgeglichen werden. "Wenn die Bundespolitik ihre Versprechen nicht einhält, wird's schwierig", sagte die städtische Finanzchefin.
Tillmann wies auf gravierende Veränderungen der städtischen Finanzen in den letzten zehn Jahren hin. So seien die gesetzlich vorgeschriebenen kommunalen Leistungen im Jugendhilfebereich um 85 Prozent gestiegen, im Sozialbereich um 55 Prozent. Insgesamt betrügen die dadurch notwendigen Mehrausgaben 55 Millionen Euro und seien damit höher als das aktuelle, viel diskutierte freie Budget, mit dem die kommunal frei zu gestaltenden Aufgaben finanziert würden.
Gleichzeitig seien auch in Münster erhebliche Einbrüche bei den Gewerbesteuereinnahmen zu verzeichnen gewesen. "Als wir vor drei Jahren die Finanzplanung für die nächsten vier Jahre aufgestellt haben, haben wir für 2004 noch mit Gewerbesteuereinnahmen von 278 Millionen Euro rechnen können. Jetzt sind wir froh, wenn wir im nächsten Jahr 185 Millionen bekommen", sagte Bickeböller.
Leider sei Münster bislang nicht für die intensiven Konsolidierungsbemühungen der vergangenen Jahre belohnt worden, sagte Tillmann. "Durch gesetzliche Vorgaben mussten wir in den letzten zehn Jahren mehr als 180 Stellen alleine bei der Feuerwehr und in den Kindergärten schaffen. Dennoch ist der Stellenbestand bei der Stadtverwaltung insgesamt heute nur um 34 Stellen höher als 1993", so der Oberbürgermeister. Weitere Stellenkürzungen seien nur möglich, wenn zukünftig bestimmte Aufgaben nicht mehr wahrgenommen würden.
Bezeichnend für die verfehlte Gemeindefinanzpolitik auf Bundes- und Landesebene sei die besondere Situation Münsters im Städtevergleich. "Uns geht es im nordrhein-westfälischen Städtevergleich so 'gut', dass wir als fast einzige Stadt faktisch keine Schlüsselzuweisungen zum interkommunalen Finanzausgleich bekommen. Gleichzeitig stehen wir nur Millimeter vor der kommunalen Insolvenz der Haushaltssicherung. Das ist der eigentliche Skandal!" sagte Tillmann.
Ganz bewusst wolle er nicht nur "in Moll machen", sagte der Oberbürgermeister. Trotz aller Sparnotwendigkeiten habe man viel erreichen können. So sei das neue Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Gievenbeck solide finanziert und habe man im Bereich der bürgerfreundlichen Verwaltung mit neuen Bürgerbüros, einem modernisierten Bürgeramt mit verlängerten Öffnungszeiten, einem neuen Stadtarchiv und einem neuen Technischen Rathaus viel vorzuweisen. Auch habe man keine Einrichtungen wie Büchereien schließen müssen, sondern gerade erst eine neue eröffnet. "Jede Ruhrgebietsstadt würde jubeln, wenn sie unseren Haushalt hätte", sagte Tillmann.
Wie Helga Bickeböller erklärte, stehen wichtige Eckpunkte des Haushaltsentwurfs unter dem Vorbehalt der Ergebnisse des aktuellen Vermittlungsverfahrens zwischen Bundestag und Bundesrat. "Der Haushalt ist so auf Kante genäht, dass es auf jede Million ankommt", sagte die Kämmerin. Nachrichten aus Berlin oder Düsseldorf könnten daher im bis März dauernden Beratungsverfahren zu kurzfristig notwendigen Änderungen führen.
Anhang:
Haushaltsreden des Oberbürgermeisters und der Stadtkämmerin und erläuternde Grafiken (pdf, 1 MB)