Ein schlichter Transporter erfüllte die Bedingungen für dieses sieben Jahre umfassende Projekt. Er bot dem Fotografen und seinem jeweiligen Reisebegleiter einen mobilen Arbeits- und Lebensraum und war zugleich sicherer Lagerort für die mannshohen Fensterflügel. Sie wurden vor den Aufnahmen in einer direkt am Türrahmen montierten Vorrichtung eingesetzt und gestalteten aus einem schlichten Fahrzeug ein "Zimmer mit Aussicht".
Sameks ästhetisches Konzept, die Vielzahl von Kulturen Europas durch ein Fenster einzufangen, wirkt auf den Betrachter zunächst irritierend. Bleibt die Aussicht aus einem Fenster gewöhnlich immer gleich und variiert nur minimal aufgrund unterschiedlicher Witterungsverhältnisse, werden dem Betrachter der Fotografien indes höchst unterschiedliche Aussichten präsentiert. Tomasz Samek fängt die typischen und die untypischen Facetten dieser Metropolen ein, stellt dem prominenten Hauptmotiv einer Stadt eine eher unbekannte Seite gegenüber. So kontrastiert er die berühmte Tower-Bridge in London mit "Robin-Hood-Garden", einer schlichten Wohnsiedlung. Der prächtigen Karlsbrücke in Prag setzt Samek einen schmucklosen Plattenbau entgegen.
Der Fensterrahmen, der zwischen Kamera und Motiv den Blick gleichsam filtert, fungiert als Medium der Betrachtung. Zum einen macht er den vorgeprägten und dadurch immer schon verengten Blick auf eine andere Kultur sichtbar. Zum anderen erzeugt der Rahmen ein Spannungsverhältnis zwischen Eigenem und Fremdem. Während der Rahmen sich auf den Fotografien wiederholt und dadurch das Vertraute widerspiegelt, bedeuten die im Hintergrund wechselnden Ansichten zunächst Unbekanntes, das mit dem Vertrauten in Beziehung gesetzt werden kann.
Tomasz Samek, 1957 in Krakau in Polen geboren, kann auf zahlreiche Einzelausstellungen zurückblicken und wurde für seine Arbeiten mehrfach ausgezeichnet. Das Stadtmuseum zeigte vor drei Jahren seine Ausstellung "Walls - Wände in deutschen Museen", die in diesem Jahr auch vom Siemens-Kulturprogramm in München präsentiert wurde. "Europe' s Window" ist im Stadtmuseum bis zum 22. April zu sehen. Parallel zur Ausstellung hält das Stadtmuseum Postkarten mit ausgewählten Fotomotiven europäischer Metropolen bereit.