Waren im ersten Jahr 149 von reichlich 1500 Trauungen online, so gaben sich 2002 bereits 242 von insgesamt rund 1400 Paaren im Beisein virtueller Hochzeitsgäste das Eheversprechen. Die Initiative für die Internetübertragungen ging von der Online-Redaktion des Presse- und Informationsamtes aus. Mit eher einfachen technischen Mitteln und hohem persönlichen Einsatz wurde ein Angebot erarbeitet, dass den virtuellen Traugästen die Bilder live und dem Brautpaar ein "Daumenkino" für die Nachschau bietet, in dem alle Bilder als Kopie für mehrere Monate archiviert werden.
Die Web-Kamera im Trausaal war ein Modell, wie es eigentlich für Objektüberwachung und Peep-Shows entwickelt und genutzt wurde. Der erste Server, auf dem die digitalen Erinnerungen lagen, war ein persönliches Mitbringsel und hatte seinen Arbeitsplatz aus technischen Gründen und um eine ungehinderte Wartung auch während der Trauzeremonien gewährleisten zu können ursprünglich - wenig romantisch - im Putzraum hinter der Damentoilette. In regelmäßigen Abständen musste die Online-Redaktion per Hand die Festplatte des Rechners "putzen", um keinen Computerabsturz zu riskieren.
Was sich auf den ersten Blick wie ein elektronischer Gag ausnimmt, hat für Standesamtsleiterin Monika Hochwald einen durchaus realen Hintergrund: "In einer Universitätsstadt wie Münster gibt es vergleichsweise viele Paare, deren Verwandte und Freunde weit verstreut oder gar in Übersee leben. Für diese Heiratswilligen ist das Internet ein Medium, um möglichst viele Menschen, die ihnen am Herzen liegen, an der Hochzeitsfreude teilnehmen zu lassen."
Damit der Hochzeitskuss in Übersee auf dem Bildschirm zu sehen ist, "muss er mindestens 20 Sekunden dauern", so der Standesbeamte Norbert Schneider. Denn die Bilder aus dem Trausaal sind Standbilder, die alle 20 Sekunden erneuert werden. Bewegte Bilder würden die Kapazitäten vieler Netzverbindungen übersteigen, und auch die Archivierung wäre nur mit großem Aufwand möglich. Der technische und organisatorische Aufwand soll aber - nicht nur in Zeiten knapper Kassen - klein gehalten werden, schließlich ist das Angebot des Standesamtes nach wie vor kostenlos.
Viele Paare lassen sich für ihre Internetübertragung etwas Besonderes einfallen: Da gab es das Ja-Wort in Sprechblasen aus Pappe zu sehen, oder die gesamte Hochzeitsgesellschaft stellte sich am Schluss zum Gruppenfoto auf. Manchmal wird aber im großen Augenblick auch vergessen, dass die Webcam in der Ecke steht: Eva Emskötter von der Online-Redaktion berichtet von "gestochen scharfen Bildern von Jacken- oder Blusenrücken aller Art", die eifrig fotografierende Hochzeitsgäste vor das Objektiv geschoben hatten.
Gewaltigen Medienauftrieb bescherte dem originellen Internet-Service der begehrte Trautermin 9.9.99., an dem sich die Rekordzahl von 61 Paaren das Ja-Wort gab. Eigens aus Kanada reisten im September 2001 die Brautleute an, um hier getraut zu werden und die Bilder aus "good old Münster" parallel und zeitgleich per Internet im heimatlichen Saskatchewan zugänglich zu machen. Berichten eines Hochzeitsgastes zufolge sind kürzlich sogar auf dem New Yorker Times Square Bilder einer Trauung aus dem münsterschen Standesamt zu sehen gewesen.
Inzwischen gibt es auch in anderen deutschen Städten "Online-Trauungen". So prominent ist das städtische Angebot, dass sich sogar die Texte der Internetseite bei einigen Kommunen, die den gleichen Service anbieten, in deren Webangebot wiederfinden lassen.