Parteien übergreifender Ratsbeschluss zugunsten der Vergärung
Was die Abfallwirtschaftsbetriebe (AWM) aus den Biotonnen der münsterschen Haushalte holen, landet in der Biovergärungsanlage im Norden von Coerde. Dort werden die Abfälle zu Humus und Biogas vergoren, das Biogas dient zur ökologischen Energiegewinnung. Der Rat hatte sich mit einer Parteien übergreifenden Mehrheit 1994 für diese Vergärung ausgesprochen und den Stadtwerken nach einer Ausschreibung den Auftrag erteilt, speziell zur Beseitigung der organischen Haushaltsabfälle die Anlage auf dem Gelände der Zentraldeponie zu bauen und zu betreiben.
Denn die Methode hat laut dem Gutachten eines Ingenieurbüros zahlreiche Vorteile gegenüber anderen Behandlungsmöglichkeiten für Bioabfall: Störstoffe können mit relativ geringem Aufwand aus der Abfallmenge ausgesondert werden. Die Geruchsbelästigung für die Umgebung ist deutlich geringer als beispielsweise bei einer möglichen Kompostierung. Das Biogas, das ohnehin frei wird, kann wirtschaftlich genutzt werden und ersetzt andere Energieträger, die sonst zur Energiegewinnung (Verstromung) eingesetzt würden. Nicht zuletzt entschied sich der Rat für die Vergärungsanlage, weil sie nur halb so viel Platz braucht wie andere Anlagen. Für jede andere Art der Bioabfallbehandlung hätte das Gebiet rund um das Entsorgungszentrum wachsen müssen, oder die Stadt hätte neue Flächen für den Abfall finden und bereitstellen müssen.
Gebührensplit für Bio- und Restmüll
Die Gebühren für die Biotonne sind Ausdruck eines abfallpolitischen Ziels: Das Landesabfallgesetz verpflichtet die Stadt, Anreize zur Müllvermeidung und -trennung zu schaffen. Daher kostet eine Biotonne hier 22 Prozent weniger, als sie nach der Kostenkalkulation müsste. Die Höhe des Gebührenabschlags liegt im Ermessen der Entsorgungsträger und spiegelt die Situation in Münster gut wider: Die Münsteranerinnen und Münsteraner sind sehr gewissenhaft in ihrem Abfallverhalten: Die allermeisten werfen ihren Bioabfall - und nur den - wirklich in die braune Tonne. So gefährden nicht Störstoffe den reibungslosen Betrieb der Vergärungsanlage. Die billigere Biotonne unterstützt dieses Verhalten. Doch der Abschlag ist nicht so hoch wie in anderen Städten, wo die Entsorger damit zu kämpfen haben, dass es um die Trennmoral der Bürgerinnen und Bürger nicht so gut bestellt ist und viele einfach alles in den Restmüll werfen.
Wichtig ist, was unterm Strich steht
Für eine objektive Beurteilung zählt daher allein, wie hoch die Gebühren in ihrer Gesamtheit sind, das heißt was in der Gebührenrechnung für jeden Haushalt letztlich rauskommt. Und das ist im bundesweiten Vergleich, so hat es der Bund der Steuerzahler im Juni bestätigt, ein Preisniveau im unteren Mittelfeld. Die politischen Gremien beschäftigen sich zurzeit mit Möglichkeiten, wie man die Gebühren sozial ausgewogener gestalten kann.
Biofilter als Gebührendeckel?
Ein Vorschlag in der gegenwärtigen Diskussion ist, die Abfuhr für Biomüll von einmal pro Woche auf einmal alle zwei Wochen auszudehnen, dafür aber alle Haushalte flächendeckend mit Biofilterdeckeln auszustatten. Dieser Vorschlag würde, das Amt für Wirtschaftlichkeitsprüfung und Revision hat nachgerechnet, die Kosten um insgesamt etwa 390 000 Euro reduzieren. Alles andere ist Spekulation. Für jeden Bürger bedeutete dies eine Ersparnis von 2 Euro im Jahr. Dazu muss man wissen, dass längst nicht alle Münsteraner eine Biotonne vorhalten. Wer selbst kompostiert, darf darauf verzichten. Damit belohnen die AWM dieses Engagement.
Trotz der Ersparnis hat sich der Werksausschuss AWM gegen Biofilterdeckel und zweiwöchigen Abfuhrrhythmus entschieden. Denn Biomüll ist kein appetitliches Thema. Wer sich im heißen Sommer je mit den Hinterlassenschaften in der Biotonne befasst hat, war sicherlich froh, wenn die Müllwerker die übel riechenden Reste nach einer Woche endlich weggekarrt hatten. Gegen den Geruch könnte in der Tat ein Filterdeckel helfen - solange die Tonne geschlossen bleibt. Doch im Ergebnis ist der Inhalt der Biotonne noch feuchter, und die Schimmelpilzsporen gedeihen im Innern mindestens ebenso gut. Dass sich an der Gesamtbelastung durch Schimmelpilze mit dem Einsatz der Biofilterdeckel nichts ändert, belegt eine Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Biomüll bleibt eben Biomüll, und der ist eben nach zwei Wochen noch ekliger als nach einer. Bislang nutzen knapp 1600 von 35 340 Biotonnenbesitzern auf eigenen Wunsch einen Biofilterdeckel, die AWM würden es gern bei der Freiwilligkeit dieses Angebots belassen.
Wer profitiert vom Filterdeckel?
Das öffentliche Meinungsbild wird aktuell massiv von der Sicht eines münsterschen Unternehmens beeinflusst. Die Firma ist derzeit der einzige bekannte Anbieter der Biofilterdeckel, die den heilsbringenden Effekt auf die Gebührenhöhe ausüben sollen. Auch die Filterdeckel, die die Münsteraner über die AWM beziehen können, stammen von der Handorfer Firma. Für das Unternehmen ist es nahe liegend, alle Wege zu nutzen, das eigene Produkt positiv in die Debatte zu bringen. Unlauter ist es allerdings, sich mit sachlich unrichtigen Behauptungen am münsterschen Markt quasi per Ratsbeschluss eine Monopolstellung für die Ausstattung inklusive Nachlieferungen und Instandhaltung für alle Biotonnenbesitzer in der Stadt beschaffen zu wollen.