Münster (SMS) "Weiße Reiher" - so heißt der Gedichtband, für den sein Autor - Derek Walcott - und der Übersetzer - Werner von Koppenfels - im Rahmen des kommenden Lyrikertreffens mit dem "Preis der Stadt Münster für Internationale Poesie" ausgezeichnet werden. In seinen letzten Büchern hat Walcott keine Alterslyrik geschrieben, sondern Gedichte, die mit trotziger Wehmut und wehmütigem Trotz dem Alter die Stirn bieten. Die erste Strophe des titelgebenden Gedichtes belegt aber auch die poetische Vitalität Walcotts, für den, so Werner von Koppenfels, die Reiherschnäbel "gefräßig wie die Federspitze des Schreibenden" seien:
Vorsichtig umgehn mit dem Licht der Zeit: wie oft noch duldet sie,
daß lange Morgenschatten auf den Rasen sinken,
staksende Reiher Schnäbel ringeln, um zu schlingen,
wenn du, nicht sie, oder wenn du und sie vergingen;
schnatternd die Papageienflotte ausläuft in der Früh,
April Afrikas Violett entflammt
in dieser Trommelwelt, die dir die Augen trübt und näßt
hinter beschlagenen Linsen, Sonnenaufgang, Untergang,
Verfall, den leise Diabetes hinterläßt.
Nimm all dies hin im ausgewogenen Satz,
skulptierte Setzung, jede Stanze an ihren Platz gebracht;
lern, wie die lichte Wiese sich nicht schützt
vor bohrenden Reiher-Fragen und der Replik der Nacht.
Nun hat Derek Walcott, der vor mehr als 20 Jahren den Nobelpreis für Literatur erhielt, aus schwerwiegenden gesundheitlichen Gründen seine Europareise und damit seine Reise zur Preisverleihung nach Münster doch noch absagen müssen. Trotzdem wird er auf dem Lyrikertreffen vom 24. bis 26. Mai präsent sein: Der großartige Übersetzer Werner von Koppenfels wird am Samstagnachmittag, 25. Mai, im Theater mit dem Münsteraner Anglisten Professor Mark Stein über seine Übersetzungen und das lyrische Werk Walcotts sprechen; auf dem Podium sitzt auch Hans-Jürgen Balmes, der sich als Lektor mit Walcotts Versepos "Omeros" beschäftigt hat. In der Abendlesung am Samstag wird Werner von Koppenfels im Theater Gedichte aus dem Band "Weiße Reiher" lesen, und am Sonntag wird er im Erbdrostenhof nicht nur seinen eigenen Preis in Empfang nehmen, sondern stellvertretend auch den für Derek Walcott. Die Laudatio hält Marcel Beyer, ein Autor, bei dem sich historische Phantasie mit einer hellen Aufmerksamkeit für das sprachliche Detail verbindet. Marcel Beyer ist vielfach ausgezeichnet worden, so mit dem Friedrich-Hölderlin-Preis und dem Erich-Fried-Preis; Beyer ist ebenfalls als Übersetzer aus dem Englischen hervorgetreten.
So bedauerlich Walcotts Absage ist - der Samstagabend wird mit Nora Gomringer und Yang Lian, mit Durs Grünbein und Ursula Krechel und mit Werner von Koppenfels ein hochkarätiges Lyrik-Programm bieten.
Fotos:
Marcel Beyer. - Foto: Suhrkamp Verlag / Sven Paustian. Veröffentlichung mit dieser Presseinformation honorarfrei.
Werner von Koppenfels. - Foto: privat. Veröffentlichung mit dieser Presseinformation honorarfrei.