In die geschichtsträchtige Stadt werden am 12. Mai Hunderttausende Radsportfans kommen, die die Zielankunft der ersten Etappe des diesjährigen Giro d’Italia miterleben wollen. Der 85. Giro d’Italia führt im Jahr der Euroeinführung durch die sechs Gründerstaaten der Europäischen Währungsunion. Er startet in der befreundeten niederländischen Stadt Groningen und führt die Radprofis im Endspurt der ersten Etappe über das Kopfsteinpflaster in Münsters Innenstadt zum Ziel. Nach diesem sportlichen Höhepunkt kann der Blick auch auf die kulturellen Seiten der Stadt gelenkt werden.
Bei einem Gang durch das heutige Münster bietet sich das Bild einer traditionsreichen Stadt, die moderne Architektur in den alten Stadtkern zu integrieren versteht. Die Stadtbücherei des münsterschen Architekturbüros Bolles-Wilson aus dem Jahr 1993 in direkter Nachbarschaft zum Prinzipalmarkt mit seinen Häusern der Kaufmannschaft aus dem hohen Mittelalter ist nur ein Beleg hierfür. Auch die Städtischen Bühnen, erbaut Mitte der fünfziger Jahre und seinerzeit ebenso diskutiert wie die Stadtbücherei in den frühen neunziger Jahren, belegen den Sinn für moderne Architektur neben dem Wunsch, Traditionelles zu erhalten.
Die Städtischen Bühnen bieten Schauspiel, Tanz-, Musik- und Kinder- und Jugendtheater. Auch das freie Theaterangebot in Münster ist facettenreich. Eine Vielzahl freier Produktionen zeigen Spannendes auf der Bühne. In den rund 20 Kinosälen können Filmfreunde sich von oscarprämierten Streifen genauso unterhalten wie von experimentellen Produktionen faszinieren lassen. Münsters Kinoszene ist in den letzten Jahren regelmäßig preisgekrönt worden. Ob Literatur oder Musik – das Lyrikertreffen oder das Barockfest gehören zu den regelmäßigen Highlights in Münsters breit gefächertem Kulturleben.
Herausragend ist Münsters Engagement in der zeitgenössischen Bildenden Kunst. Seit 1977 finden alle zehn Jahre die Skulptur.Projekte statt. Hunderttausende pilgern nach Münster, wenn die internationale Avantgarde für die Skulptur.Projekte im öffentlichen Raum arbeitet. Viele Objekte bleiben auf Dauer und machen die ganze Stadt zum Kunstraum. Das vielseitige Museums- und Galerienangebot präsentiert sich einmal jährlich im September in der Nacht der Museen und Galerien, die regelmäßig Tausende auf die Beine bringt.
Mit der Unterzeichnung des Westfälischen Friedens 1648 in Münster und Osnabrück rückte Münster in das Blickfeld ganz Europas. Erstmals wurde mit dem Westfälischen Frieden eine Konfliktlösung und europäische Friedensordnung nicht auf dem Schlachtfeld, sondern in Verhandlungen erreicht. Manche Ergebnisse gelten noch heute unverändert.
Die Niederlande erhielten im ebenfalls 1648 geschlossenen "Vrede van Munster" ihre volle Souveränität – auch ein Grund für die traditionell engen Kontakte in das Nachbarland. Im heutigen Europa der Regionen ist Westfalen eng mit den niederländischen Nachbarn verbunden. Die Kooperation im Städtedreieck mit den Oberzentren Osnabrück und Enschede/Hengelo sowie das Engagement in der kommunalen Arbeitsgemeinschaft EUREGIO sind Ausdruck dieser Verbundenheit und für das Engagement Münsters im grenzüberschreitenden Kontext.
Rund einhundert Jahre vor dem Abschluss des Westfälischen Friedens, der auch religiöse Toleranz festschrieb, brachten die Wiedertäufer ein bewegtes Kapitel in die Geschichte des überwiegend katholischen Münster ein. Deren protestantische Herrschaft wurde nach langer Belagerung der Stadt durch das Heer des Fürstbischofs Franz von Waldeck 1535 endgültig gebrochen. Die Anführer der Wiedertäufer wurden öffentlich hingerichtet und deren Leichen als abschreckendes Beispiel in drei eisernen Käfigen am Lambertikirchturm zur Schau gestellt. Die Käfige können dort noch heute betrachtet werden.
Ganz nah bei den Käfigen gibt es eine weitere Merkwürdigkeit. In rund 70 Meter Höhe arbeitet Nacht für Nacht im Lambertikirchturm der Türmer von Münster. In der Tradition der Stadtwächter verkündet er mit seinem Horn die halben und vollen Stunden. Vom "höchsten" Arbeitsplatz in Münster kann der Türmer genau beobachten, welcher der Radrennprofis des Giro d’Italia auf den letzten Kilometern der ersten Etappe von Groningen nach Münster die Nase vorn hat.