Die Dichtung von Anja Utler (Jahrgang 1973) führt unmittelbar an den Ursprung der Sprache in Kehlkopf und Gurgel. Glucksend und Blasen werfend, rauh und brechend, zischend und bisweilen auch singend erhebt sich der Atem über den inneren Wasserspiegel. Sumpfgebiet, Röhricht und Uferland gleicht das, wovon diese Stimme spricht, wozu diese Stimme wird.
Im Jahr 2003 erhielt Anja Utler den Leonce- und-Lena-Preis, die angesehenste Auszeichnung für junge Lyrik. Die Jury lobte ihre Gedichte als „sinnliche Klanginstallationen“, als „Sprachspiele gesteigerter Weltwahrnehmung, die aus der Substanz der Wörter jene Leuchtstreifen entwerfen, an denen sich unsere Neugierde, aber auch unsere Verstörungen im Erkunden der Sprache entlang tasten.“ Anja Utler, in Schwandorf / Deutschland geboren, lebt als Slavistin und Schriftstellerin in Wien.
Hans Thill, 1954 in Baden-Baden geboren, lebt als Übersetzer, Herausgeber und Schriftsteller in Heidelberg. Für seinen Gedichtband "Kühle Religionen" wurde er im Jahr 2004 mit dem renommierten Peter-Huchel-Preis geehrt. Als Übersetzer aus dem Französischen gilt Thills Engagement den avantgardistischen Stimmen der Klassischen Moderne. Als Lyriker geht es ihm um die Erweiterung der Horizonte. Dabei sieht er sich in der Tradition bewußt modernen Sprechens.
Überraschen und verblüffen durch Paradoxien - das, was Thill an den Religionen interessiert (vertraute Muster ebenso wie Verblüffungszusammenhänge, die oft paradoxen Aussagen), lässt sich auch von seinen eigenen Gedichten sagen. In einem spannungsreichen Balanceakt oszillieren sie zwischen Gegensätzen: Unverständliches, Dunkles steht da neben Klarem, Hellem, Unsinn neben Sinn, Komik neben Ernsthaftigkeit, Erhabenes neben Banalem, Heiliges neben Profanem.
"Grund zu Schafen" heißt der zweite Gedichtband von Marion Poschmann. Es ist ein rätselhaftes Buch mit eigenwilligen Landschafts- und Naturgedichten, in denen mehr die Dinge den Menschen wahrzunehmen scheinen als umgekehrt. Und die Natur, die „Idyllen“ darin sind ungemütlich. Denn es sind die trostlosen Orte, denen Poschmanns Interesse gilt. Es sind die Landschaften und Räume, an deren Rändern Natur und Zivilisation sich überlappen, wo Zivilisation mit Natur sich wieder zu vereinigen beginnt ...
Die gebürtige Essenerin lebt und arbeitet als Schriftstellerin in Berlin. Im Vorjahr war Marion Poschmann Stipendiatin der Deutschen Akademie Rom, Villa Massimo.
Sie zählt zu den bedeutendsten Dichterinnen dieser Zeit: Sarah Kirsch. Für ihr dichterisches Werk wurde sie vielfach geehrt, darunter auch mit dem Georg-Büchner-Preis. Im Südharz geboren, verließ sie 1977 die DDR. Seit 1983 lebt Sarah Kirsch im kleinen Eiderdorf Tielenhemme in Schleswig-Holstein.
Zu ihrem 70. Geburtstag im April erschien ein Band mit sämtlichen Gedichten, der die Summe einer 40-jährigen dichterischen Arbeit darstellt. Darin auch das Gedicht „Willkommen“: „Ich fülle den Fluß in den Federhalter ...“ heißt es darin. In diesen Zeilen ist fast alles enthalten: die Themen Sarah Kirschs - also die Natur - das Schreiben und das poetologische Programm, das für die Kargheit der norddeutschen Wahlheimat eine Entsprechung in äußerster sprachlicher Verknappung findet.
Wie Notate wirken deshalb die letzten Gedichte, wie hochkonzentrierte Meditationen. Unerschöpflich ist dagegen das Thema: die Tage und die Nächte, Sonne, Mond und Sterne, die Wiesen, die Pappeln, der Deich, die Vögel, die Kühe und Schafe ...
Donnerstag, 2. Juni, 20 Uhr, Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster, Hafenweg 28. Karten: Theaterkasse Städtische Bühnen, Telefon 02 51 / 41 46 71 00.