11.04.2008
Migrationsleitbild soll Integration verbessern
Fast jeder vierte Münsteraner hat eine Migrationsvorgeschichte als Spätaussiedler, Ausländer oder Eingebürgerter
Münster (SMS) Die Stadt Münster will mit einem Leitbild die Grundlage dafür schaffen, die Integration von Menschen mit Migrationsvorgeschichte in Münster zu verbessern. Nach dreieinhalbjähriger Vorarbeit stellte jetzt Oberbürgermeister Dr. Berthold Tillmann gemeinsam mit dem Beigeordneten Thomas Paal, dem Dezernenten für Migration und Interkulturelle Angelegenheiten, Jochen Köhnke, dem Vorsitzenden des Ausländerbeirates, Spyros Marinos sowie dem Leiter des geographischen Instituts der Westfälischen Wilhelms-Universität, Professor Dr. Paul Reuber, der den Entwicklungsprozess wissenschaftlich begleitet hat, das unter Einbeziehung aller gesellschaftlichen Gruppen entwickelte Migrationsleitbild vor, über das der Rat in seiner Sitzung am 18. Juni beraten wird. "Knapp ein Viertel aller Münsteraner hat eine Migrationsvorgeschichte", sagte Tillmann. Konkret nannte er die Zahl von rund 25 000 Spätaussiedlern, 21 000 Ausländern und 14 000 Eingebürgerten.
Ziel des Leitbildes sei es, den Integrationsgedanken in der Stadtgesellschaft als Selbstverständlichkeit zu verankern. Er freue sich deshalb, dass neben der Verwaltung, die Politik, der Ausländerbeirat und auch die Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Migrantenorganisationen, Religionsgemeinschaften sowie Vereine, Verbände und Institutionen an der Erarbeitung des Leitbildes mitgewirkt haben. "Eine so breite Beteiligung bei der Entwicklung eines kommunalen Leitbilds ist beispielhaft und bundesweit sicherlich selten", sagte der OB.
Unterstützt wurde der Oberbürgermeister in dieser Einschätzung von Professor Dr. Paul Reuber, der mit seinen Mitarbeiterinnen den Leitbildprozess moderiert hat. Der Sozialgeograph kennt aus seiner Arbeit kommunale Migrations- und Integrationsleitbilder in Deutschland und Europa. "Das Münsteraner Migrationsleitbild ist hinsichtlich seiner Entstehungsgeschichte und auch seines Inhalts sicherlich eines der ambitioniertesten und anspruchsvollsten, das es derzeit gibt", sagte Reuber.
Tillmann betonte, dass Integration seit vielen Jahren nicht zuletzt aufgrund vieler Initiativen des Ausländerbeirats Bestandteil der täglichen Arbeit aller Fachämter der Stadtverwaltung ist. "Wir sind gut aufgestellt, wollen aber noch besser werden", so der Oberbürgermeister. Ihm gehe es aber vor allem darum, Integrationspolitik als Aufgabe der gesamten Stadtgesellschaft in Münster zu begreifen. "Jede und jeder hat in ihrem und seinem Umfeld, in der Nachbarschaft oder im Beruf Menschen mit Migrationsvorgeschichte, die zwar anders gelagerte Probleme, aber auch besondere Potentiale und Fähigkeiten haben", erklärte Tillmann. Nur wenn erreicht würde, dass alle gesellschaftlichen Gruppen und alle Bürger sich für den Integrationsgedanken offen zeigen und ihn aktiv unterstützen, könne es gelingen, Parallelgesellschaften und damit Unverständnis und Probleme im täglichen Miteinander zu vermeiden und auch die Chancen zu nutzen, die in einer gelungenen Integration und Teilhabe liegen.
Das nun vorgestellte Migrationsleitbild deckt sämtliche Politikfelder ab, analysiert die gegenwärtige Situation und formuliert vor allem Ziele und Maßnahmen. Es soll alle fünf Jahre überarbeitet und vom Rat beraten werden. "Es ist nicht damit getan, einmal ein Papier vorzulegen, sondern wir müssen kontinuierlich daran arbeiten, die gesteckten Ziele zu erreichen", sagte Beigeordneter Thomas Paal.
Die koordinierende Federführung hat dabei der Dezernent für Migration und Interkulturelle Angelegenheiten, Jochen Köhnke im Ressort Paals. Köhnke will dabei eng mit allen Gruppen und Initiativen zusammenarbeiten, die an der Entwicklung des Migrationsleitbilds beteiligt waren. "Der besondere Wert des Papiers liegt in seinem breit angelegten Entstehungsprozess, der alle Voraussetzungen für die angestrebte gesellschaftliche Verankerung bietet", so Köhnke. Die Umsetzung erfolge vor allem auch in enger Zusammenarbeit mit dem Ausländerbeirat, dessen Vorsitzender Spyros Marinos von Anfang an als Sachkundiger und Betroffener maßgeblich beteiligt war und die Vorstellungen des Ausländerbeirats einfließen ließ.
Marinos kündigte seinerseits an, dass der Ausländerbeirat den Umsetzungsprozess aktiv und kritisch begleiten werde. "Wir haben unser Wissen und unsere Erfahrung in diesen Prozess mit allen beteiligten offene eingebracht. Vor allem die konkreten Ergebnisse aus der Zukunftskonferenz des Ausländerbeirats aus dem Jahr 2006 finden sich weitestgehend in diesem Papier wieder. Wir sind damit auf einem guten Weg in die richtige Richtung", erklärte Marinos. Wenn der Rat diesem Papier zustimme, sei ein wichtiger Schritt getan. Denn am Anfang müsse "das richtige Wort stehen, also die Anerkennung dieser Entwicklung". Die "Anerkennung einer kosmopolitischen Gesellschaft, also der Weg zu einer gleichberechtigten Teilhabe an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens", werde nicht leicht sein und bedürfe der Konzeption, der mühsamen Überzeugungsarbeit und vor allem vielen Muts, damit die Einsicht der Bürger in die Notwendigkeit dieser Veränderungen erreicht werde. "Ohne das Gelingen dieses Prozesses werden Städte und Gemeinden nicht nur wirtschaftliche Nachteile erleiden", sagte Marinos. Der Ausländerbeirat werde zu einzelnen Umsetzungsmaßnahmen konkrete Anträge stellen, die kurz- bis mittelfristig und langfristig zu realisieren wären.
Interessierte erhalten die Ratsvorlage mit dem Entwurf des Migrationsleitbildes in der Münster-Information im Stadthaus 1.