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31.05.2007

Multimedia-Künstler im Glamour-Land: Ausstellungshalle Münster zeigt Phil Collins

Video- und Fotoinstallation über Talkshows, Reality-TV, Identitäten und Realitäten

Münster (SMS) Der britische Fotograf und Videokünstler Phil Collins zeigt vom 2. Juni bis 26. August in der Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster seine Multi-Channel-Video- und Fotografie-Installation "the return of the real / gerçeğin geri dönüşü" (2005). In dieser sich fortwährend weiter entwickelnden Arbeit untersucht der Künstler, der 2006 für den Turner Prize nominiert war, die Versprechen und Täuschungen von Talkshows, Vorher/Nachher-Shows und Reality-TV. Die ursprünglich für die 9. International Istanbul Biennial konzipierte Installation wurde 2006 auch in der Sala Rekalde in Bilbao gezeigt. Gegenwärtig entwickelt Collins eine britische Version dieser Arbeit.

Die Kunst, der öffentliche Raum und die personalisierte Sichtweise

Die Installation in der städtischen Ausstellungshalle ist einerseits eine Inszenierung von Reality-TV. Andererseits werden die Strategien dieses Formats aber so überzeichnet, dass eine kritische Selbstreflexion möglich wird: Ehemalige Teilnehmer, die meinen, dass ihr Leben durch ihren Fernsehauftritt ruiniert wurde, werden ein weiteres Mal eingeladen, um über ihre Erfahrungen zu sprechen. Sie berichten über die Mechanismen der Produktion und darüber, wie sie selbst dargestellt wurden. Diese ausführlichen Porträts bringen immer wieder zum Vorschein, was in den echten Shows eben nicht zur Sprache kommt: Die ökonomische Ungleichheit zwischen den Teilnehmern und der Produktionsfirma, die sozialen Verhältnisse, die hinter den biographischen Erzählungen stehen, und die Aufdeckung von Traumata, in der das zentrale Anliegen unserer Beziehung zur Kamera besteht.

"gerçeğin geri dönüşü / the return of the real" (2005)

Als Künstler und Produzent entwickelte Collins ein vielschichtiges Projekt, das verschiedene Aspekte der Unterhaltungsindustrie thematisiert. Über einen türkeiweiten Medienaufruf ermittelte er 17 Personen, die das Gefühl hatten, dass ihr Leben durch ihren Auftritt in einer Show grundlegend verändert wurde. In dem Istanbuler Hotel "Marmara" wurde eine Pressekonferenz organisiert, in deren Rahmen sie sich unzensiert an die nationalen Medien wenden konnten und bis in intime Details über ihre persönlichen leidvollen Erfahrungen mit dem Fernsehen berichteten. Ein örtliches Fotostudio wurde beauftragt, ein offizielles Gruppenbild und eine Serie von Porträts anzufertigen, die an Fotos von Prominenten erinnern. Anschließend verpflichtete Collins den Regisseur einer radikalen türkischen Vorher/Nachher-Show, um mit den Teilnehmern in einem professionellen Fernsehstudio eine Reihe von einstündigen Einzelinterviews zu führen. Collins’ dreiteilige Produktion inszeniert eine hochgradig ambivalente Situation, in der die grundlegende Unterscheidung zwischen der Wirklichkeit und ihrem äußerst ähnlichen Double praktisch unmöglich gemacht wird.

Versuchungen und Verstrickungen von öffentlicher Aufmerksamkeit und privaten Sehnsüchten

Die Ausstellung "gerçeğin geri dönüşü / the return of the real" erforscht die Strukturen und die Implikationen der Formen von Repräsentation, die sich in einer von Massenmedien bestimmten Kultur entwickelt haben. Innerhalb dieses kulturellen Kontexts bietet die Kunst von Phil Collins eine Analyse der post-dokumentarischen Formen nichtfiktionaler Unterhaltungssendungen. Phil Collins interessiert sich dabei vor allem für den Moment, in dem die laufende Kamera das Verhalten, das sie aufzeichnen soll, in fundamentaler Weise zu verändern beginnt, und für die Strategien der Selbstdarstellung, die als "natürliches Verhalten" durchgehen.

Seine künstlerische Strategie ist gleichzeitig mitfühlend und distanziert. In mancher Hinsicht ist er nicht weniger gnadenlos als seine TV-Kollegen. Während er den Teilnehmern einerseits die Möglichkeit anbietet, die eigene Geschichte zu erzählen, erweist sich seine Rekonstruktion der ursprünglichen demütigenden Erfahrung mit dem Fernsehen andererseits als Köder, der sie noch einmal in genau dieselbe Falle lockt, in die sie schon einmal getappt waren. Das Bedürfnis des Individuums (das manchmal zur Obsession wird), sich öffentlich Gehör zu verschaffen und sich dabei möglicherweise bloßzustellen, kann ironisch als Versuch verstanden werden, der Anonymität zu entfliehen und etwas Besonderes zu sein. Der VIP-Status, den die Medien konstruieren und reproduzieren, hat eine Anziehungskraft, die private Sehnsüchte zu einer öffentlichen Angelegenheit macht.

Collins’ Arbeit führt den Betrachter in den luftleeren Raum des Voyeurismus, wo er an die Wirklichkeit dessen glauben muss, was die Teilnehmer ihm vorführen, wo er vor Scham vergehen will angesichts ihrer Erniedrigung, wo er den Wunsch unterdrücken muss, selber Teil dieser glamourösen Welt zu sein, und von wo aus er gleichzeitig mit unverhohlener Schadenfreude zusieht, wie die Mechanismen der Medienmaschinerie ihrerseits bloßgestellt werden. Collins’ komplexe Installation entlarvt die Macht und die Autorität der Medien, die die Opfer zu Komplizen macht und die Zuschauer zu Gläubigen.

Die Wirklichkeit, die Medien und die Existenz in der Gegenwart

Collins benutzt die Kamera, um die Dynamik des medial vermittelten Blicks in Frage zu stellen. Ist die Realität im Kontext des Reality-TV möglicherweise "realer"? Wo gibt es in einer Kultur, die von solchen Medienereignissen geprägt ist, noch ausschließlich private oder öffentliche Blickwinkel? Und wo findet man ein Publikum, das nicht gleichgültig ist, sondern aufmerksam und mitfühlend? Ist die Privatsphäre nicht längst Teil der globalisierten, medialisierten Öffentlichkeit? Ist es also überhaupt noch möglich, von einer individuellen, persönlichen Identität zu sprechen, oder sind wir längst das Produkt einer öffentlichen Erwartung? Egal, ob wir unsere Geschichte vor laufender Kamera erzählen oder im Stillen über sie nachdenken? Wir alle wollen Stars sein. Phil Collins sensibilisiert für diese Fragen. Und die Antworten, die wir geben, werden bestimmen, was unter Existenz in der Gegenwart zu verstehen ist.

(Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster, Hafenweg 28 (Speicher II), 2. Juni - 26. August, Di-Fr 14-20 Uhr, Sa/So 12-20 Uhr; www.muenster.de/stadt/ausstellungshalle)

Der Künstler:

Phil Collins (geb. 1970 in Runcorn, lebt in Glasgow). Einzelausstellungen: “phil collins: they shoot horses”, Wexner Center for the Arts, Columbus, Ohio (2005); “yeah…..you, baby you”, Milton Keynes Gallery (2005); Stedelijk Museum voor Actuele Kunst, Gent (2006); “they shoot horses”, Tate Britain, London (2006); “New Work: Phil Collins”, San Francisco Museum of Modern Art (2006); “Forum 59: Phil Collins”, Carnegie Museum of Art, Pittsburgh, Pennsylvania (2007).

Gruppenausstellungen: “Borderline Syndrome”, Manifesta 3, Ljubljana (2000); “Witness: Contemporary Artists Document Our Time”, Barbican Centre, London (2003); “Art, Life, and the Tourist’s Eye”, Museum of Contemporary Art, Chicago, Illinois und Hayward Gallery, London (2005); “Istanbul”, 9. International Istanbul Biennial (2005); “British Art Show 6”, National Touring Exhibition (2005/06); “Turner Prize 2006”, Tate Britain, London (2006); “Turbulence”, 3. Auckland Triennial, Auckland Art Gallery (2007); “War And Discontent”, Museum of Fine Art, Boston (2007).

Die Ausstellung wurde großzügig unterstützt vom British Council, von der Henry Moore Foundation, der PSD-Bank Münster, den Freunden der Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster und durch die Kooperation mit der Kerlin Gallery und der Victoria Miro Gallery. Die AzKM ist eine Einrichtung des Kulturamts der Stadt Münster.

Fotos(8):

Porträts, Personen und inszenierte Wirklichkeit: Video- und Fotoinstallation von Phil Collins (Mitte); links Ausstellungshalle-Leiterin Dr. Gail Kirkpatrick, rechts Galerist Mike Karstens bei den Aufbauarbeiten. Foto: Presseamt Münster. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.

Phil Collins: "the return of the real / gerçeğin geri dönüşü" (2005). Foto: Zümrüt Studio, Istanbul. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.

Phil Collins: "the return of the real / gerçeğin geri dönüşü" (2005). Foto: Zümrüt Studio, Istanbul. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.

Phil Collins: "the return of the real / gerçeğin geri dönüşü" (2005). Foto: Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.

Phil Collins: "the return of the real / gerçeğin geri dönüşü" (2005). Foto: Zümrüt Studio, Istanbul. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.

Phil Collins: "the return of the real / gerçeğin geri dönüşü" (2005). Foto: Zümrüt Studio, Istanbul. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.

Phil Collins: "the return of the real / gerçeğin geri dönüşü", Bilbao, 2006. Foto: Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.

Phil Collins: "the return of the real / gerçeğin geri dönüşü", Bilbao, 2006. Foto: Begona Zubero, Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.

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Tel. 02 51/4 92-66 09