Nach Ansicht Tillmanns sind die Reformen in den Kommunen unter der Überschrift "Wiederentdeckung des Bürgers" zusammenzufassen. Nachdem sich die Kommunalverwaltungen nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst im Sinne klassischer Hoheitsverwaltungen entwickelt hätten, dann im Zuge der Gebietsreformen als Planungsverwaltung, hätten anschließend betriebswirtschaftliche Grundsätze Einzug in die Rathäuser gehalten.
Heute gehe es um neue Formen der Bürgerbeteiligung und ein ausgeprägtes Service- und Dienstleistungsdenken. "Partizipation und Kommunikation sind die aktuellen Schlagworte", so Tillmann. Hinzu komme im Europa der Regionen ein stärkeres regionales Denken und eine intensivere Zusammenarbeit zwischen benachbarten Kommunen, wie zum Beispiel beim interkommunalen Gewerbegebiet am Flughafen Münster/Osnabrück. Als Beispiele für reformorientierte Projekte in Münster nannte Tillmann den unter breiter Bürgerbeteiligung organisierten Prozess zur Formulierung eines Leitbildes, das dezentrale Konzept zur Flüchtlingsunterbringung und die Serviceversprechen der neu gegründeten Wirtschaftsförderung Münster GmbH.
Tillmann bedauerte es, dass Reformüberlegungen in Deutschland zumeist unter vorwiegend finanzpolitischen Gesichtspunkten diskutiert würden. "Wir müssen uns in den Städten aber zum Beispiel auch die Frage stellen, was der demographische Wandel für die Stadtplanung und Stadtentwicklung bedeutet oder wie wir auf die steigende Zahl von Ein-Eltern-Familien reagieren", so Tillmann.
Wegen der Vielzahl der den Kommunen aufgebürdeten Leistungen, Verordnungen und Gesetze und der gleichzeitigen, seit 15 Jahren andauernden Finanznot, hätten die Städte und Gemeinden aber kaum Luft, sich dieser Fragen anzunehmen. "Wir brauchen mehr Mut zur Lücke, also zu regelungsfreien Räumen", sagte der Oberbürgermeister.
Wettbewerbe und Städtevergleiche seien für die Reformen wichtig, weil sie den Blick über den Zaun ermöglichten. "Wir können sehen, was machen die anderen, was woanders schon funktioniert, wo können wir besser werden?", so Tillmann. Städte seien heute immer öfter nur Lebensabschnittspartner der Menschen, hätten aber gleichwohl eine wichtige Funktion als "Ankerplätze" in einer hektischen und mobilen Welt. Diesen neuen Herausforderungen müssten sich alle Städte stellen.
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Oberbürgermeister Dr. Berthold Tillmann (l.) war Teilnehmer eines Symposiums der Bertelsmann-Stifung. - Foto: Veröffentlichung honorarfrei.