Stadt Münster: Tiefbauamt - Pressemeldungen

Pressemitteilungen

02.08.2002

Allein unter Männern

Erste Ingenieurin im Außendienst des städtischen Vermessungs- und Katasteramtes

(SMS) Es ist sehr früh. Viel zu früh, um bei solch einem Wetter knöcheltief im Schlamm zu stecken. Doch dank ihrer festen Gummistiefel und der regenabweisenden Jacke macht Silke Kleinhölter gute Miene zum miesen münsterschen Wetter – Regen, wie so oft diesen Sommer. Angesichts ihrer Stellung kann sie sich eine dünne Haut sowieso nicht leisten: Als erste Frau im Außendienst beim Vermessungs- und Katasteramt der Stadt Münster dringt Silke Kleinhölter in eine der klassischen Männerdomänen vor.

Seit März ist die Ingenieurin im Namen des Amtes bei jedem Wetter unterwegs. Ob ihre Frisur dabei sitzt, ist zur Erfüllung der Mission bedeutungslos. Nur gut, dass Silke Kleinhölter nicht eitel ist. Statt dessen legt sie großen Wert auf die Genauigkeit ihrer Arbeit, denn hier kommt es auf den Zentimeter an. Tagtäglich nimmt sie Maß von Münster – und das auf vielerlei Weise: Bei Nachbarschaftsstreitigkeiten um den Grenzverlauf der Immobilien eilt sie zur Hilfe und löst das Problem, im Straßenbau steckt sie Achsen für neue Straßen und Gehwege ab, und auch bei Grundstücksteilungen ist sie vor Ort. Zurzeit macht Silke Kleinhölter die Entwurfsvermessung für das neue Baugebiet Roxel Nord. Sie erfasst das etwa 600 mal 600 Meter große Areal dreidimensional, misst also Breite, Länge und Höhe. Aus den Daten wird später eine detaillierte Karte entstehen, die für die Planung des Neubaugebietes unerlässlich ist, egal ob es sich um die Verteilung der Bauplätze, die Lage der Straßen oder den Verlauf der Kanalisation handelt. "Einen Schreibtisch-Job hätte ich mir nie vorstellen können", meint sie schmunzelnd und zieht zusammen mit ihren beiden Messgehilfen weiter durchs Gebiet.

Gerade waten sie durch ein Gerstenfeld. Rund um das gesamte Feld werden im Abstand von 20 Metern die Fluchtstäbe gesteckt, um anschließend die Innenpunkte zu berechnen, damit sich über das Feld ein Raster aus Vierecken erstreckt. Immer über rechtwinklige Dreiecke – und es wird einem schlagartig bewusst, dass man im Matheunterricht doch etwas fürs Leben gelernt hat.

Silke Kleinhölter kann sich bei dieser plötzlichen Offenbarung ein Lachen nicht verkneifen, hat sie sich doch von jeher für angeblich typisch männliche Sachgebiete interessiert und auf dem Gymnasium ihre Leistungskurse in Mathe und Physik absolviert. Danach ist sie einen schnurgeraden Weg ins Vermessungswesen gegangen: Nach dem Abi folgte die Lehre als Vermessungstechnikerin, danach das Studium in Bochum und anschließend der erste Job in einem Bremer Ingenieursbüro. "Dort bin ich durch Zufall in den Außendienst gerutscht," erzählt Kleinhölter.

Bei dieser Arbeit hat sie auch den rauen Ton und den Konkurrenzkampf in der Branche kennen gelernt, aber die Ingenieurin wusste ihre Ellenbogen einzusetzen. Bei der Stadt muss sie das glücklicherweise nicht, sie wurde dort von Anfang an akzeptiert und respektiert. Das spürt Kleinhölter auch im Arbeitsalltag: "Meine Messgehilfen könnten mich hier total auflaufen lassen, wenn sie es wollten. Sobald ich am Tachymeter stehe und meine Helfer die Flächen abstecken, kann ich schlecht überprüfen, ob sie das auch exakt machen. Sollte dann hinterher ein Fehler in den Daten sein, bin natürlich ich verantwortlich. Absolutes Vertrauen ist also unerlässlich, und das besteht zwischen mir und meinen Kollegen. Hier herrscht ein tolles Arbeitsklima."

Warum der Außendienst des Vermessungs- und Katasteramtes bisher von Männern dominiert wurde, erklärt Amtsleiter Michael Tegtmeier: "Es bewerben sich immer zu wenig weibliche Ingenieure. Hinzu kommt, dass der Beruf kein Anfängerjob ist und wir auf einen langjährigen Erfahrungshorizont nicht verzichten können. Da fallen viele durchs Raster." Silke Kleinhölter hat sich jedoch mit ihrer Qualifikation gegen die männlichen Mitbewerber durchgesetzt - ganz ohne Frauenquote.

Nun ist die Ingenieurin wunschlos glücklich. Zumindest fast: Ihre wetterfeste Arbeitsjacke ist viel zu groß, da bei den männlichen Kollegen Maß genommen wurde. Und auch die Wahrnehmung ihrer Arbeit bei der Bevölkerung ließe sich noch verbessern. "Viele meinen, wir stünden entweder den ganzen Tag herum oder säßen tatenlos in unserem Messwagen. Dabei erstellen wir komplizierte Datenreihen, die anschließend sofort ausgewertet werden", so Kleinhölter. Wer sich davon überzeugen möchte, sollte einen Blick in den Messwagen riskieren: Der ist nämlich ein voll ausgestattetes mobiles Büro.

 

Zusatzinfos

Kontakt

Birgit Jaskowiak
Tel. 02 51/4 92-66 09