18.04.2012
"Wir sehen die Stärken der Menschen"
100 Tage "Echtbetrieb" des städtischen Jobcenters / Auf die technische Umstellung folgt jetzt die inhaltliche Neuausrichtung
Münster (SMS) Hinter den 250 Beschäftigten des Jobcenters liegt ein Jahr Schwerstarbeit. Ende März 2011 erhielt die Stadt Münster den Zuschlag, ab 2012 das Jobcenter in alleiniger Trägerschaft zu führen. Hundert Tage nach Start des "Echtbetriebs" am 1. Januar kann die Stadt bilanzieren, dass der technische und organisatorische Umstellungsprozess erfolgreich bewältigt wurde. "Erfolgreich" bedeutet zunächst einmal, "dass die 20 000 Münsteranerinnen und Münsteraner in den 10 500 Bedarfsgemeinschaften vom Komplettumbau hinter den Kulissen nicht behelligt wurden und sie ihre Leistungen pünktlich ausgezahlt bekommen", sagt Stadtrat Thomas Paal. "Jetzt können wir die inhaltliche und fachliche Neuausrichtung im Interesse dieser 20 000 Menschen anpacken."
Allein für die Überführung der Kundendaten in die städtische Software musste das Jobcenter in den zurückliegenden zwölf Monaten vier Millionen Datenfelder anpacken. Hundert ehemalige Jobcenter-Beschäftigte aus der Arbeitsagentur waren in den städtischen Dienst zu übernehmen, es waren Software, Computer und Drucker für 250 Arbeitsplätze des neuen städtischen Amtes zu installieren. Amtsleiter Ralf Bierstedt: "Von Oktober bis Mitte Januar galt ein freiwilliger Urlaubsverzicht, stattdessen waren Überstunden angesagt. Alle haben prima mitgezogen."
Parallel zum Umstellungsprozess lief im Jobcenter der Normalbetrieb. Das sind jährlich 40 000 Beratungsgespräche, 41 000 Telefonanrufe und fast 80 000 Besucherinnen und Besucher im Kundenzentrum. Daneben wurden rund 90 Millionen Euro an Leistungen für den Lebensunterhalt und Kosten der Unterkunft bewilligt.
Aber obwohl sich für die Kunden im ersten Schritt überhaupt nichts ändern sollte, die Dienststellen im Stadthaus 2, in Kinderhaus und Hiltrup, die Ansprechpartner und sogar die Telefonnummern gleich geblieben sind - in der Wahrnehmung derer, für die das Jobcenter arbeitet, hat sich anscheinend schon manches geändert: Es gab Rückmeldungen, die Bewilligungsbescheide des Jobcenters seien verständlicher geworden. Und die Zahl der Beschwerdeschreiben an die Leitung des Jobcenters ist gesunken: von 20 bzw. 27 im ersten Quartal der Jahre 2010 und 2011 auf neun im ersten Quartal 2012.
"Wir wollen den Leistungsberechtigten eine aktivere Rolle geben. Nicht Hemmnisse, sondern die für eine Vermittlung vorhandenen Stärken der Menschen sollen im Vordergrund stehen. Darin kommt nicht zuletzt die Wertschätzung der Betroffenen zum Ausdruck", erläutert Stadtrat Paal. Auch deshalb steht auf der Wunschliste des Jobcenters eine Umgestaltung des Eingangsbereichs im Stadthaus 2. Wer nur mal schnell eine fehlende Unterlage abgeben will oder eine Kurzinformation benötigt, soll das ohne lange Wartezeit sofort im Erdgeschoss des Stadthauses erledigen können. Wer ausführliche Beratung benötigt, wird künftig einen Wartebereich in der 2. Etage aufsuchen und bekommt dort ein Gespräch mit dem Sachbearbeiter.
Besucher des Jobcenters werden künftig im Eingangsbereich Terminals mit Selbstinformations-Plätzen finden. Dort können zum Beispiel Stellenangebote abgefragt werden. Darüber hinaus wird das Jobcenter eine eigene Online-Stellenbörse einrichten. Das Jobcenter, aber auch Firmen können in diese Börse Stellen eingeben, Stellensuchende können direkt mit potenziellen Arbeitgebern Kontakt aufnehmen.
Bereits eingerichtet wurde ein Arbeitgeber- und Vermittlungsservice (AGVS). Er bringt das Jobcenter näher an den Arbeitsmarkt heran, das erleichtert die passgenaue Integration in Erwerbstätigkeit. Aber nicht nur dieser Service hat die konkreten Chancen zur Vermittlung in Arbeit im Blick. "Jeder Jobcoach im Jobcenter wird immer seinen Fokus darauf richten, die Menschen durch Qualifikation und Integration in Arbeit aus dem Leistungssystem herauszuführen. Das gilt nicht nur für Arbeitslose, sondern auch für junge Menschen am Anfang ihres Berufslebens, die noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben", so Jobcenter-Leiter Bierstedt.
Im Jobcenter kümmert sich ein eigenes Team intensiv um die Schulabgänger und gibt alle erdenklichen Hilfestellungen, um eine berufliche oder schulische Ausbildung zu ermöglichen. Ein Vorteil der städtischen Trägerschaft: Die Hilfestellungen können mit anderen städtischen Angeboten etwa aus dem Amt für Kinder, Jugendliche und Familien und dem Amt für Schule und Weiterbildung stärker verzahnt werden, um den Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf zu unterstützen.