14.10.2011
Die bewegten Jahre
Stadtmuseum zeigt Münster in Fotos zwischen 1978 und 1989 / Begleitband zur Ausstellung erschienen
(SMS) Tausende ziehen auf die Straßen gegen den Nato-Doppelbeschluss. Menschenketten skandieren gegen Aufrüstung und Muskelspiele im Kalten Krieg. Hausbesetzer liefern sich Straßenschlachten und verteidigen zäh knappen Wohnraum in den Städten. 1978 bis 1989 - wie hat Münster diese Dekade erlebt mit der Friedens-, Umwelt und Anti-Atomkraftbewegung, dem Einzug der Grünen in die Parlamente und dem Beginn der "Ära Kohl"? Das Stadtmuseum Münster blendet in seiner neuen Sonderausstellung "Die bewegten Jahre" auf diese Zeit zurück, in der privater Konsum und üppige Angebote der Freizeitgesellschaft Gegenströmungen bilden und das Jahrzehnt mit der friedlichen Revolution in der DDR endet.
Seit 2004 eröffnet das Museum an der Salzstraße in jedem Herbst eine umfassende Fotoschau zur Zeitgeschichte Münsters. Mit überragendem Besucherzuspruch. "Allein mehr als 50 000 Gäste sahen die Vorläuferausstellung `Die wilden Jahre` Münsters zwischen 1968 und 1977", hält Museumsdirektorin Dr. Barbara Rommé zufrieden fest. "In der aktuellen Schau lenken Aufnahmen professioneller Pressefotografen sowie viele private Leihgeber erneut den Blick auf große Themen und Schlagzeilen in der Bundesrepublik - dokumentiert und erzählt vor der Kulisse Münsters."
Aus über 100 000 Negativen wählte Ausstellungskoordinator Dr. Axel Schollmeier 200 Aufnahmen aus. Der stellvertretende Museumsleiter gliedert die Ausstellung in 13 Themenbereiche, die den Besucher auf eine anschauliche Zeitreise durch Politik und Gesellschaft, Stadtbild Geschichte, Kunst und Freizeit mitnehmen.
Von "Bombentorten" und Bürgerinitiativen
Schlaglichter: Da protestiert die Friedensinitiative Münster gegen atomares Wettrüsten und gratuliert zum 30. Geburtstag des 1. Bundeswehr-Korps mit einer „Bombentorte“. Die Bürgerinitiative „Rettet die Riesefelder“ verhindert die Ausdehnung eines Industriegebietes am Rand des Vogelreservates. Wachsendes Umweltbewusstsein macht sich in der Zusammensetzung des Stadtrates bemerkbar: 1979 zieht die Grüne Alternative Liste (GAL) mit vier Mandaten erstmals in den Stadtrat ein. Politiker diskutieren vor Wahlen an ungewöhnlichen Orten - in Münster im "Batavia", einer Diskothek auf der Ludgeristraße.
Die Fotoschau dokumentiert Veränderungen im Stadtbild. Dr. Schollmeier erinnert an markante Stationen: "1982 ist das Klinikum mit seinen kühnen Bettentürmen bezugsfertig, das Karstadt-Kaufhaus bekommt in der City einen Neubau und in dessen alten Möbelhaus öffnet am 31. August 1989 das Stadtmuseum seine Pforten.“
Hausbesetzungen
Studierende suchten damals wie heute nach einer bezahlbaren Bleibe. Wohnraum ist in den 1980er Jahren knapp, der Kampf gegen Leerstand, Abriss und Spekulanten weiter an der Tagesordnung. 60 junge Leute besetzen 1981 das verwaiste Betriebsgebäude von Coca-Cola an der Steinfurter Straße. Noch im selben Jahr ist Münster Schauplatz des ersten bundesweiten „Hausbesetzerkongresses“.
Die Fotos begleiten Münsteranerinnen und Münsteraner bei der Arbeit, im Kaufhaus, auf dem Flohmarkt, im Café, am Aasee oder zur Skulpturenschau 1987, bei der die lautstarken Proteste ihres Vorläufers (fast) verstummt sind. Andere Aufnahmen führen in die schummrigen Räume der boomenden Party- und Kneipenszene dieser Stadt. Und lenken den Blick auf einen "Dauerbrenner": 1987 eröffnet Steffi Stephan mit prominenter Unterstützung das "Jovel" an der Grevener Straße. Mit verändertem Standort bis heute eine Institution in Münsters Musikszene.
Info: "Die bewegten Jahre - Münster in Fotos von 1978 bis 1989"; bis 13. Mai 2012, Stadtmuseum Münster, Salzstraße 28, dienstags bis freitags 10 bis 18 Uhr, samstags/sonntags 11 bis 18 Uhr, Eintritt frei. www.muenster.de/stadt/museum. Zur Ausstellung ist ein Bildband erschienen (16,80 Euro).
Fotos:
Diese Performance erregte 1983 Aufsehen. Eine junge Frau lässt sich hüllenlos bemalen - der Skandal war da. Foto: Diddi Kröhn. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
Erst Politik, dann Party: Vor Wahlen diskutieren Parteien in der Diskothek "Batavia" an der Ludgeristraße. Foto: Matthias Ahlke Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
Start mit dem Kanalbau im März 1978 vor dem Abriss und Neubau des Kaufhauses Karstadt. An manchen Stellen in der Stadt blieben Zerstörung und Wiederaufbau nach dem Krieg lange nebeneinander bestehen. Foto: Rudolf Krause. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
Mit Charme und ein wenig Überwindung nach oben oder unten: Bis 1989 beförderte der Paternoster Mitarbeiter und Besucher im Stadthaus 1. Foto: Matthias Ahlke. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.