Seiteninhalt
Pressemitteilungen
11.01.2008
Alles könnte auch Täuschung sein
"Lügen.nirgends": Gruppenausstellung in der Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster konfrontiert mit Strategien der Glaubwürdigkeit
(SMS) Was ist Wahrheit? Was ist Lüge? Künstler sind Geschichtenerzähler mit wechselnden Strategien. Mal werfen sie ihr eigenes Leben in die Waagschale, um für die Wahrheit zu bürgen. Mal behaupten sie, dass nicht alles wahr ist, was augenscheinlich ist und lügen, um die Konventionen der Wahrheitsfindung zu entlarven. Dann kombinieren sie scheinbar authentisches Foto- oder Filmmaterial mit fiktiven Texten, um den Betrachter in die Irre zu führen. Bis zum 30. März präsentiert die städtische Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster (AZKM) die Gruppenausstellung "Lügen.nirgends - zwischen Fiktion, Dokumentation und Wirklichkeit".
Neun Künstlerinnen und Künstler thematisieren, wie fließend die Grenzen zwischen Wahrheit und Täuschung, Imagination und Faktizität sein können: The Atlas Group / Walid Raad, Sophie Calle, Marcel van Eeden, Omer Fast, Sven Johne, Milo Köpp, Corinna Schnitt, Mathilde ter Heijne und Hans Winkler. Dr. Gail B. Kirkpatrick, Leiterin der Ausstellungshalle, arbeitete bei "Lügen.nirgends" mit den beiden Gastkuratorinnen, Dr. Susanne Düchting (Universität Duisburg-Essen) und Julia Wirxel (Universität Köln) zusammen.
"Lügen.nirgends" konfrontiert mit den vielfältigen rhetorischen Strategien der Glaubwürdigkeit. Auf den Prüfstand kommen sowohl politische Wahrheiten wie individuelle Lebenswahrheiten und Lebenslügen. Ob Videos, Zeichnungen und Gemälde, ob Fotografien und Textarbeiten, ob Raum- oder Audioinstallationen: jede der gezeigten Arbeiten (in einer eigens geschaffenen Ausstellungsarchitektur) stellt an das Publikum die Frage: Ist die Geschichte wahr oder erlogen? In allen Beiträgen ist die kritische Reflexion der medialen Vermittlung auch thematisch verankert.
Die Künstler warnen davor, Augenscheinliches für wahr zu halten. Sie sensibilisieren für die emotionalen, fiktionalen und dokumentarischen Strategien, die bei der Konstruktion von Wirklichkeit zum Einsatz kommen. Im Gegensatz zu dem Roman "Kein.Ort. Nirgends" von Christa Wolf mischen sich die ausgewählten Künstler in den politischen Diskus ein. Sie reflektieren die Mechanismen der Desinformation und Geschichtsschreibung und lügen um der Wahrheit willen.
Einige bedienen sich dabei der Form des fiktiven Zeitzeugen- und Tatsachenberichts. Neben Sven Johne und Walid Raad/The Atlas Group auch Omer Fast: Der in Jerusalem geborene Künstler spielt mit der Unschärfe des historischen Erinnerungsvermögens. Er mischt und konfrontiert die authentischen Bilder des Konzentrationslagers bei Krakau mit denen der angrenzenden Filmkulisse aus Steven Spielbergs "Schindlers Liste". Omer Fast kombiniert in seinem Zweikanalvideo Interviews mit Spielberg-Schauspielern und Originalszenen des Films und verdichtet das historische wie das aktuelle Material zu einem komplexen filmischen Gewebe. Geschichte erweist sich als Verbindung aus Erinnerung und Fiktion.
Dort, wo es noch privater sein soll, greifen Künstler in der Ausstellung auf persönliche Erinnerungsformen zurück wie Notizen (Sophie Calle) oder auf Briefe wie der in Münster lebende Milo Köpp in seiner multimedialen Arbeit "Olim – Eine Krankheitsgeschichte in Briefen - der Leiden erster Teil". Andere fingieren Lebensläufe. Dazu gehört Hans Winkler - er lässt das Publikum an einer künstlerischen Recherche nach einem vergessenen Autor teilnehmen – und dazu gehört Marcel van Eeden.
Marcel van Eeden zeichnet jeden Tag ein Bild. Seit 15 Jahren arbeitet er an einer gigantischen Bild-Enzyklopädie. Der Niederländer zeichnet Fotos oder Bilder ab, die er in alten Zeitungen, Büchern oder Atlanten findet. Hier und da fügt er typografische Elemente, Textpassagen aus literarischen Vorlagen dazu. Alle Motive müssen zwingend vor 1965 entstanden sein – dem Jahr seiner Geburt. So entsteht ein Bild des Lebens vor seinem Leben. Mit "Matheus` Dream" hat der Künstler eine neue Traum-Sequenz geschaffen. Neben 19 Zeichnungen präsentiert van Eeden zum ersten Mal auch 30 Gemälde - eine Novität im Schaffen des Niederländers.
Gefördert wird die Ausstellung von der Mondriaan Stichting und der Botschaft des Königreichs der Niederlande. Die AZKM wird unterstützt von dem Freundeskreis der Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster und ist eine Institution des Kulturamts der Stadt Münster.
Info: Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster
Speicher II • Hafenweg 28 • 48155 Münster, Telefon 02 51 / 4 92-41 00 und 6 74 46 75; Öffnungszeiten: dienstags bis freitags 14 bis 19 Uhr, samstags/sonntags 12 bis 18 Uhr;
www.muenster,de/stadt/ausstellungshalle
Fotos:
Marcel van Eeden: aus "Matheus` Dream
40 Zeichnungen, jeweils 19 x 28 cm, ohne Titel, Bleistift auf Papier, 2007, courtesy Galerie Michael Zink, München
Foto: Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
Omer Fast: Spielbergs List, Zwei-Kanal-Video-Installation, 65 Min., 2003, Videostill, Foto der Statisten am Drehort Plaszow 1993
Foto: Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
Omer Fast: Spielbergs List, Zwei-Kanal-Video-Installation, 2003, linker Kanal: Reste des Films; rechter Kanal: Überreste des Lagers
Foto: Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
Milo Köpp: Olim - Der Leiden erster Teil. Audio-Tape, Text, Folder, 2005
Corinna Schnitt: Living a Beautiful Life,
Video, 13 Minuten, 2003
Mathilde ter Heijne: Ne me quitte pas
Life size dummy mit Radiogerät, Sound,
135 x 50 x 120 cm, 2001
Foto: Bernd Borchardt, courtesy Galerie Arndt & Partner, Berlin/Zürich
Zu dieser Meldung können wir Ihnen folgende Medien anbieten:
Zum Download bitte mit dem Mauszeiger auf Bild oder Symbol klicken.
Um das Medium auf Ihrem Rechner zu speichern, klicken Sie bitte auf das Vorschaubild/-symbol. Bei Bildern benutzen Sie bitte anschließend die Funktion "Bild speichern unter" (bzw. "save image as") Ihres WWW-Browsers. Unter Windows klicken Sie dazu bitte mit der rechten Maustaste auf das Vorschaubild/-symbol.