Seiteninhalt
Pressemitteilungen
08.08.2014
Die Braut trug Schwarz
LWL-Ausstellung „An der Heimatfront“ im Stadtmuseum Münster / Wie Menschen in Westfalen und Lippe den Ersten Weltkrieg erlebten
Münster (SMS) Bis in die Kinderzimmer dringen in den Kriegsjahren 1914 bis 1918 Patriotismus und Parolen. Gespielt wird mit Zinnsoldaten und Spielzeugwaffen. Zur Puppenstube gehört das Minigeschirr mit Militärmotiv oder die winzige Lebensmittelkarte. Deren Aufschrift „Dem braven Kinde 5 Gramm Zucker“ suggeriert Belohnung für gehorsames Durchhalten. - Es sind immer wieder auch die kleinen Objekte, die im Stadtmuseum Münster auf intensive Weise den Kriegsalltag daheim mit den Schützengräben zusammenführen. „An der Heimatfront“ - so heißt die Wanderausstellung des LWL-Museumsamtes für Westfalen. Sie schaut mit den Augen der Zivilbevölkerung in Westfalen und Lippe auf den Ersten Weltkrieg.
Stadtmuseumsdirektorin Dr. Barbara Rommé: „In unserer Schausammlung ist dieser Krieg dauerhaft ein wichtiger Themenschwerpunkt. Die LWL-Ausstellung blickt auf die Region. Viele Objekte zwischen Hurra-Kitsch, Kriegsgefangenenlager und Hunger-Versorgung nehmen gezielt Münster in den Blick.“ Wie die eindrucksvolle Dokumentation der drei Kriegsgefangenenlager, die Dr. Bernd Thier vom Stadtmuseum erarbeitet hat. Per Touchscreen blättert sich hier 100 Jahre nach Kriegsende das Leben der Internierten auf, ihre Arbeit im Straßenbau, ihre Freizeit bei Sport und Theater. Münster bestaunt die Exoten, die Gefangenen mit Turban oder dunkler Hautfarbe aus den Kolonialarmeen. „90 000“, so erläutert Dr. Thier, „sind es in den Lagern bei Haus Spital, Berg Fidel und in der Kaserne an der Grevener Straße. Münster selbst zählte damals kaum 100 000 Einwohner.“
Zwei Jahre lang hat das LWL-Museumsamt für Westfalen gemeinsam mit Kollegen an Universitäten und in den westfälischen Museen geforscht, Ideen und über 200 Objekte aus öffentlichen Sammlungen und privater Hand gesammelt. Deren Leiterin legt die Ausstellung auch historisch weniger geschulten Museumsgästen ans Herz: „Unsere Exponate geben Einblick in den Alltag im Zeichen von Not, Entbehrung, Trennung und Verlust“, unterstreicht Dr. Ulrike Gilhaus. Auch private Erinnerungen sind Thema. „Niemand vermochte sich diesem Krieg zu entziehen, alle waren Akteure.“
Die Objekte machen es leicht, sich dem Kriegsalltag zu nähern. Die Braut trug Schwarz - das dunkle Hochzeitskleid ist ein Beispiel für die Nähe von Freude und Tragik. Das Kleid und die schwarzen Stiefeletten für das „Ja-Wort“ mussten später vielfach für andere Anlässe taugen, auch für die Trauer um den an der Front gefallenen jungen Ehemann.
Frauen in Männerberufen
Ausstellungskuratorin Dr. Silke Eilers hat die Schwerpunkte der Präsentation auf die katastrophale Versorgungslage wie auch auf veränderte familiäre Strukturen gelegt. Mit jedem Kriegsjahr verschlechterte sich das Nahrungsangebot. Tausende starben an Hunger und Kälte. Höhepunkt war der berüchtigte „Steckrübenwinter“ 1916/17. Notgeld, Brotmarken, Bezugsscheine für rationierte Lebensmittel, Kochkisten, kleine Gefäße für winzige Kriegsrationen spiegeln in „Heimatfront“ den Überlebenskampf. Dr. Eilers: „Vor allem Frauen und Kinder traf der Krieg hart. Mütter zogen ihre Kinder allein auf. Überdies waren viele Frauen in typischen Männerberufen zu schwerem körperlichen Einsatz gezwungen.“ Sie ersetzten die an der Front eingezogenen Männer im Bergbau, in Straßenbahnen, bei der Eisenbahn.“
Zugleich lastete auf Frauen der Druck zur freiwilligen „Liebestätigkeit“ in karitativen Organisationen, um hungernde und invalide Soldaten zu unterstützen. So wurden in Kriegswahrzeichen dicht an dicht Nägel eingeschlagen - pro Nagel war eine festgelegte Spende zu zahlen.
Eine Jugend im Krieg
Junge Ausstellungsbesucher werden im Stadtmuseum sicher in dem Tagebuch einer 14-Jährigen blättern. Lise Beuge aus Lüdenscheid notiert in den Kriegsjahren ihre Gedanken und Gefühle, ihre Jugend im Krieg. „Dreimal Hurra unseren deutschen Jungs!“, schreibt das Mädchen zum Kriegsbeginn. Um 1917, drei Jahre später, festzuhalten: „Lauter Elend, neue Wunden, neuer Gram und nie, nie das Erwünschte, ein so sehr ersehntes Wort: Friede.“
Info: Ausstellung „An der Heimatfront“ - Westfalen und Lippe im Ersten Weltkrieg, bis 5. Oktober 2014, Stadtmuseum Münster, Salzstraße 28, Eintritt frei. Zur Ausstellung sind ein Katalog (18 Euro) und eine DVD (14,90 Euro) erschienen.
Fotos:
Geldschein der dritten Notgeldperiode des Provinzialverbandes der Provinz Westfalen vom 1. November 1918. Foto: Stadt Münster / Sammlung Stadtmuseum. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
Kriegsspielzeug: Sanitätskommando Deutscher Verbandsplatz um 1914. Foto: Stadt Münster / Sammlung Stadtmuseum. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
Kriegswahrzeichen: „Jung-Germane“ vor dem Stadtweinhaus auf dem Prinzipalmarkt in Münster, Herbst 1915. Foto: Stadt Münster / Sammlung Stadtarchiv. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
Theateraufführung im Kriegsgefangenenlager an der alten Rennbahn, heute Berg Fidel, um 1916. Foto: Stadt Münster / Sammlung Stadtmuseum Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
Zu dieser Meldung können wir Ihnen folgende Medien anbieten:
Zum Download bitte mit dem Mauszeiger auf Bild oder Symbol klicken.
Um das Medium auf Ihrem Rechner zu speichern, klicken Sie bitte auf das Vorschaubild/-symbol. Bei Bildern benutzen Sie bitte anschließend die Funktion "Bild speichern unter" (bzw. "save image as") Ihres WWW-Browsers. Unter Windows klicken Sie dazu bitte mit der rechten Maustaste auf das Vorschaubild/-symbol.