Münster (SMS) Die Geschichte der deutschen Kolonien von 1871 bis 1918 währte nur kurz. Und doch haben sich auch in der ehemaligen westfälischen Provinzialhauptstadt Münster seit dem 19. Jahrhundert koloniale Spuren tief ins Stadtbild eingeschrieben. Obwohl diese Spuren den Alltag der Münsteranerinnen und Münsteraner zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik stark prägten, sind sie heute oft nur noch schwer zu finden. Das Stadtarchiv hat deshalb in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Geodatenmanagement im Vermessungs- und Katasteramt eine digitale Karte entwickelt, die diese vergessenen und verschwiegenen Spuren des Kolonialismus sichtbar macht.
„Erst seit einigen Jahren wird intensiv über die Verantwortung der Deutschen an dem globalen Unrecht des kolonialen Zeitalters diskutiert“, erläutert Philipp Erdmann vom Stadtarchiv. „Nationale Entschädigungszahlungen, Rückerstattungen kolonialen Raubguts in Museen oder fragwürdige Straßennamen stehen zur Debatte. Und allmählich rücken auch Schauplätze jenseits der Hauptstädte in den Fokus.“
Münster war zwar keine Metropole der Weltmächte, aber auch hier waren die Verbindungen nach Übersee zahlreich. Münsteranerinnen und Münsteraner konsumierten seit dem 19. Jahrhundert massenhaft Produkte aus Kolonien, schwelgten bei „Völkerschauen“ oder Kolonialausstellungen in exotischen Träumen und drückten ihr Überlegenheitsgefühl gegenüber den Menschen in den Kolonien ganz offen aus. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs forderten Vereine und Politiker ab 1919 aggressiv eine Rückkehr zum Kolonialbesitz, den das Deutsche Reich verloren hatte. Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme erhielten koloniale Bestrebungen weiteren Aufwind. Nach 1945 blieb eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus und seinen Verbrechen wie anderswo in der westlichen Welt lange aus. Erst seit den 1970er-Jahren forderten zunächst kleinere gesellschaftliche Gruppen eine kritische Auseinandersetzung mit dem deutschen Beitrag zum globalen kolonialen Unrecht. Diese Prozesse dauern bis heute an.
Umfassende Informationen zum Kolonialismus in Münster präsentiert die neue Internetseite www.stadt-muenster.de/kolonialspuren . Die Orte werden nicht nur im aktuellen Stadtplan, sondern auch auf historischen Karten und Luftbildern dargestellt. Direkt zur interaktiven Karte gelangen Nutzerinnen und Nutzer über: https://geo.stadt-muenster.de/kolonialspuren/.
Abbildungen:
1) Koloniale Spuren auf einer historischen Karte von 1925. Die Markierungen werden daneben im heutigen Stadtplan angezeigt. Popup-Fenster verweisen auf weiterführende Informationen. Karte: Stadt Münster/Quelle: https://geo.stadt-muenster.de/kolonialspuren/, Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
2) Unterstützung für kaiserliche Kolonialpolitik: Wilhelm II. wird vor dem Schloss von der Bevölkerung in Münster begeistert begrüßt.
Foto: Stadt Münster/Stadtarchiv Münster. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
3) Die exotischen Zoogebäude - wie zum Beispiel das "orientalische" Elefantenhaus - boten eine passende Kulisse für die "Völkerschauen".
Foto: Stadt Münster/Stadtarchiv Münster. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.
4) Ein Kolonialdenkmal für Münster: Seit 1903 erinnert ein Obelisk im Schlossgarten an den in Peking getöteten deutschen Gesandten Clemens Freiherr von Ketteler.
Foto: Stadt Münster/Stadtarchiv Münster. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.