Neues Kindschaftsrecht betrifft Tausende Familien in Münster
Verheiratete Eltern haben ein gemeinsames Sorgerecht, bei nichtehelichen Kindern hört die Gemeinsamkeit auf, der Vater ist automatisch außen vor. Das ist die alte Regelung. Sie unterstellte, daß unverheiratete Väter "sorglos" sind, daß es nichteheliche Kinder eigentlich gar nicht geben darf. Selbst wenn Eltern über Jahre unverheiratet zusammenlebten und in der Praxis das Kind gemeinsam erzogen - das Sorgerecht lag grundsätzlich allein bei der Mutter. Streng genommen durfte der Vater mit dem Kind nicht einmal den Arzt aufsuchen oder es zum Kindergarten anmelden.
„Mit dem neuen Kindschaftsrecht hat der Gesetzgeber zur Kenntnis genommen, daß sich die Formen des Zusammenlebens gründlich geändert haben“, erläutert Karl Janssen, Leiter des Amtes für Kinder, Jugendliche und Familien. Ein Blick in die münstersche Statistik zeigt das. Anfang der achtziger Jahre kam auf 13 Geburten ein nichteheliches Kind. Mitte der neunziger Jahre stammte jedes sechste Kind von nichtverheirateten Eltern.
Künftig erhalten nichtverheiratete Mütter zwar weiter automatisch das elterliche Sorgerecht. Mutter und Vater können aber zusammen beim Amt für Kinder, Jugendliche und Familien oder bei einem Notar eine "Sorgeerklärung" abgeben und bekommen damit das gemeinsame Sorgerecht. Ein gemeinsames Sorgerecht ist auch möglich, wenn die Eltern nicht zusammenleben; der Elternteil, bei dem sich das Kind aufhält, kann dann selbständig über "Angelegenheiten des täglichen Lebens" entscheiden.
Die gemeinsame Verantwortung für das Kind ist nicht beendet, wenn Ehepaare sich scheiden lassen oder nichtverheiratete Eltern sich trennen. Im Normalfall soll das gemeinsame Sorgerecht bestehen bleiben. Damit muß bei einer Scheidung das Familiengericht nicht mehr automatisch über die elterliche Sorge entscheiden. Es ist vor allem gefragt, wenn ein Elternteil das alleinige Sorgerecht beantragt und der andere Elternteil widerspricht.
Bisher hatte das Jugendamt bei nichtehelichen Kindern eine gesetzliche Amtspflegschaft. Das ist ab 1. Juli Vergangenheit. Etwa 2300 Mütter haben die schriftliche Mitteilung erhalten, daß die Amtspflegschaft am 30. Juni endet. Sie wird als Beistandschaft weitergeführt, falls kein Widerspruch erfolgt. Auf diese freiwillige Beistandschaft haben alle Elternteile mit alleinigem Sorgerecht über ein minderjähriges Kind Anspruch. Durch die Beistandschaft wird das Sorgerecht nicht eingeschränkt. Vielmehr verpflichtet sich mit ihr das Amt für Kinder, Jugendliche und Familien, die Frage der Vaterschaft zu klären und Unterhaltsansprüche durchzusetzen.
Das neue Kindschaftsrecht wirft bei Betroffenen viele Fragen auf. Antworten gibt es bei einer Bürgertelefon-Aktion am Donnerstag, 18. Juni. Von 9 bis 12 Uhr werden zehn Expertinnen und Experten unter der zentralen Nummer 4 92-78 40 Auskunft geben. (Nächste Folge dieser Info-Serie: "Umgangsrecht - mehr Rechte für das Kind").