Gut für die Statistik - schlecht für die Patienten?
25.06.2009
Münster (SMS) Sind psychisch Kranke besser versorgt, wenn laut Statistik weniger Menschen gegen ihren Willen zur Behandlung in die Psychiatrie eingewiesen werden? "Was gut ist für die Statistik, muss nicht gut sein für die Patienten. Die übliche Statistik sagt bestenfalls die halbe Wahrheit", so Dr. Eckhard Gollmer, Psychiatriekoordinator der Stadt Münster. Er spricht sich für eine Neuorientierung aus. "Wir brauchen eine Gesundheitsberichterstattung im Interesse der Kranken, die den Blick auf Qualitäten und Defizite in der psychiatrischen Versorgung lenkt", so der Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes in Münsters Gesundheitsamt.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass man als psychiatrischer Notfall zwangsweise in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen wird? Glaubt man den jährlich für NRW veröffentlichten Zahlen, kommen im Landesdurchschnitt auf 100 000 Einwohner zirka 100 Einweisungen. In kreisfreien Städten wie Münster, Köln und Bonn sind es etwa doppelt so viele, in ländlich strukturierten Kreisen wie Olpe und Siegen-Wittgenstein liegen die Einweisungen gerade mal bei einem Drittel des Landesdurchschnitts.
"In Wirklichkeit kommt es häufiger zur Zwangsunterbringung psychisch Kranker, die sich in einer Notlage befinden oder andere Menschen gefährden", weiß der Fachmann. Die Statistik erfasse nur Einweisungen nach dem "PsychKG", dem (Landes-)"Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke". Tatsächlich ordnen Amtsgerichte aber auch nach dem (Bundes-)Betreuungsrecht unter anderem Unterbringungen in der Psychiatrie an. Wo und wie oft das geschieht, ist für die meisten Kommunen nicht bekannt - folglich fehlen in der Statistik Zahlen für diese Einweisungen.
"Viel schwerwiegender aus Patientensicht ist aber, dass sich die Gesundheitsstatistik nicht für die Dauer der unfreiwilligen Klinikaufenthalte interessiert, sondern allein für die bedingt aussagekräftige Zahl der Einweisungsanträge", erläutert der Psychiatrie-Spezialist. Zum Beispiel verfüge Münster über eine hervorragende Infrastruktur zur ambulanten Betreuung psychisch Kranker, sei es durch niedergelassene Nervenärzte und Psychotherapeuten oder Betreuungs- und Behandlungsangebote zur Eingliederung. Dadurch sinke die Dauer der Unterbringung auf ein Mindestmaß. Gollmer: "Dank guter ambulanter Versorgung mag es sein, dass hier ein chronisch schwer kranker Patient dreimal im Jahr in akuten Krisenfällen für wenige Stunden oder Tage eingewiesen wird. Das ist schlecht für die Statistik. Aber es ist gut für den Patienten, wenn er nicht über Wochen, Monate oder vielleicht sogar Jahre weggeschlossen wird."
Das Thema Zwangseinweisungen gehört für den Psychiatriekoordinator regelmäßig auf die Tagesordnung. "Hinschauen und öffentliche Aufmerksamkeit sind wichtig", betont Gollmer. Darin seien sich alle Akteure einig, die in Münster in einem "Arbeitkreis Psychiatrie" zusammenwirken und unter anderem auch einen psychiatrischen Wochenend-Notdienst aufrecht erhalten: Fachkliniken, niedergelassene Ärzte, ambulante Einrichtungen und Dienste, Patienten und Selbsthilfegruppen. Das Gesundheitsamt der Stadt lege seit Jahren regelmäßig öffentliche Berichte über die Entwicklung der Zwangseinweisungen vor (zuletzt die Folge 15 der "Gesundheitsberichte") - einschließlich der Zahlen zu Unterbringungen nach dem Bundesbetreuungsrecht.
Anlage (pdf): "Gesundheitsberichte", Folge 15
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass man als psychiatrischer Notfall zwangsweise in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen wird? Glaubt man den jährlich für NRW veröffentlichten Zahlen, kommen im Landesdurchschnitt auf 100 000 Einwohner zirka 100 Einweisungen. In kreisfreien Städten wie Münster, Köln und Bonn sind es etwa doppelt so viele, in ländlich strukturierten Kreisen wie Olpe und Siegen-Wittgenstein liegen die Einweisungen gerade mal bei einem Drittel des Landesdurchschnitts.
"In Wirklichkeit kommt es häufiger zur Zwangsunterbringung psychisch Kranker, die sich in einer Notlage befinden oder andere Menschen gefährden", weiß der Fachmann. Die Statistik erfasse nur Einweisungen nach dem "PsychKG", dem (Landes-)"Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke". Tatsächlich ordnen Amtsgerichte aber auch nach dem (Bundes-)Betreuungsrecht unter anderem Unterbringungen in der Psychiatrie an. Wo und wie oft das geschieht, ist für die meisten Kommunen nicht bekannt - folglich fehlen in der Statistik Zahlen für diese Einweisungen.
"Viel schwerwiegender aus Patientensicht ist aber, dass sich die Gesundheitsstatistik nicht für die Dauer der unfreiwilligen Klinikaufenthalte interessiert, sondern allein für die bedingt aussagekräftige Zahl der Einweisungsanträge", erläutert der Psychiatrie-Spezialist. Zum Beispiel verfüge Münster über eine hervorragende Infrastruktur zur ambulanten Betreuung psychisch Kranker, sei es durch niedergelassene Nervenärzte und Psychotherapeuten oder Betreuungs- und Behandlungsangebote zur Eingliederung. Dadurch sinke die Dauer der Unterbringung auf ein Mindestmaß. Gollmer: "Dank guter ambulanter Versorgung mag es sein, dass hier ein chronisch schwer kranker Patient dreimal im Jahr in akuten Krisenfällen für wenige Stunden oder Tage eingewiesen wird. Das ist schlecht für die Statistik. Aber es ist gut für den Patienten, wenn er nicht über Wochen, Monate oder vielleicht sogar Jahre weggeschlossen wird."
Das Thema Zwangseinweisungen gehört für den Psychiatriekoordinator regelmäßig auf die Tagesordnung. "Hinschauen und öffentliche Aufmerksamkeit sind wichtig", betont Gollmer. Darin seien sich alle Akteure einig, die in Münster in einem "Arbeitkreis Psychiatrie" zusammenwirken und unter anderem auch einen psychiatrischen Wochenend-Notdienst aufrecht erhalten: Fachkliniken, niedergelassene Ärzte, ambulante Einrichtungen und Dienste, Patienten und Selbsthilfegruppen. Das Gesundheitsamt der Stadt lege seit Jahren regelmäßig öffentliche Berichte über die Entwicklung der Zwangseinweisungen vor (zuletzt die Folge 15 der "Gesundheitsberichte") - einschließlich der Zahlen zu Unterbringungen nach dem Bundesbetreuungsrecht.
Anlage (pdf): "Gesundheitsberichte", Folge 15