Mit dem Kreuzstich gegen die Gefallsucht des Spektakulären
Reflexionen auf die Normen und Konventionen unserer Gesellschaft: Mit dem Kreuzstich wendet sich die Künstlerin gegen das „time is money“ der Gegenwart. Ganze Stickerei-Serien, in langsamer und geduldiger Arbeit entstanden, stehen als Produktionsform auch als Protest gegen pompöses Produzieren und die Gefallsucht des Spektakulären. Die Arbeiten sind als verdichtete Protokolle flüchtiger Momente und versäumter Gelegenheiten zu lesen. Mit zuweilen schwarzem Humor verweist Julia Heinrich auf die Hoffnung der zweiten Chance.
"Die Mischung von Regionalität und Internationalität ist Teil des Konzeptes der Ausstellungshalle", unterstreicht Dr. Gail Kirkpatrick. Internationale Positionen seien im Programm ebenso vertreten wie ambitionierte Kunst aus Stadt und Region. "Wir wollen auch `exportieren` - also hiesige Künstler für die internationale Kunstszene bekannt machen", so die Leiterin der Ausstellungshalle im Speicher II am Hafen.
In einer eigens konzipierten Raumsituation steht der Ausstellungsbesucher vor mehreren gestickten Bilderzyklen und Einzelarbeiten Julia Heinrichs. Einer dieser Werkzyklen ist die Reihe „Les Coupons - die Abschnitte“ (Journal Intim): Bilder aus quadratischen Stoffresten mit gestickten Textfragmenten. Der Betrachter, der zugleich zum Leser wird, kann die bestickten Stoffobjekte in die Hand nehmen, um sich über die taktile Begegnung die Zeitlichkeit dieser Bilder zu erschließen.
Die unregelmäßig geformten Worte, hin und wieder mit unterschiedlichen Garnfarben in einer Flächenpartie gestickt, erzählen von sehr persönlichen Dingen. In ihrer Prägnanz - „Rot sehen“, „Traurigkeit“, „Nabelschnur“, „Lebenslinie“, „Schnecke“, „Loch“ - lesen sie sich wie Fragmente eines Tagebuchs. In dem Bilderzyklus „Der polnische Mantel“ setzt sich Julia Heinrich mit Picassos Lithografie-Serie „Die Frau im Lehnstuhl“ auseinander. Mit dieser Arbeit kommen figurative Momente zum Tragen. Neben Begriffen sind hier mit dünnen Fäden genähte Zeichnungen zu entdecken, in denen sich erste Andeutungen einer Gegenständlichkeit finden.
Julia Heinrich wurde 1972 in Münster geboren. An der Folkwang-Hochschule in Essen zur Moderntänzerin ausgebildet, wandte sie sich 1992 der bildenden Kunst zu. Sie absolvierte das Studium der Freien Kunst an der „École Supérieure d`Art de Brest“ (Frankreich), das sie mit Auszeichnung der internationalen Jury (Mitglieder u.a. Sharon Kivland und Robert Fleck) 1999 abschloss. Es folgten Ausstellungen in Münster, Brest und London.
Positionen zur Malerei: Julia Heinrich „XXX" , Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster, Hafenweg 28; 21. Mai bis 26. Juni 2005; Eröffnung Freitag, 20. Mai, 19.30 Uhr
Fotos: Kreuzstich für Kreuzstich - Julia Heinrich vor einer wandfüllenden Arbeiten. Foto: Presseamt Stadt Münster. Veröffentlichung honorarfrei.
Zuweilen wird die Künstlerin in der Ausstellung Platz nehmen und vor den Augen der Betrachter arbeiten. Foto: Presseamt Stadt Münster. Veröffentlichung honorarfrei.